Musicaldarsteller Jacob Hetzner: »Ich möchte als Joachim kein Mitleid.«

Jacob Hetzner Interview

Alte Männerbilder, tiefgründige Rollen und der Buchhandel

Dezember 2022, kurz vor Weihnachten. Ich bin mal wieder zu Besuch in meinem Lieblingstheater, im Theater des Westens bei KU’DAMM 56. Der Cast ist ziemlich unterbesetzt, trotzdem gilt: Show must go on. Nicht verwunderlich also, dass an diesem Tag einige Cover [Zweitbesetzungen im Musical] und für mich neue Konstellationen auf der Bühne stehen. Unter anderem auch ein Cover des Joachim, jüngerer Sohn des Fabrikanten und Waffenherstellers Otto Franck. Joachim ist ein Träumer, wütend auf die Welt, enttäuscht von seinem Vater und später der größte Gewissenskonflikt der Protagonistin Monika. An diesem Abend wird er von Jacob Hetzner verkörpert, der die Rolle extrem emotional und für mich etwas poetischer, etwas nachdenklicher verkörpert. In seinem Solo »Ich will nicht werden wie mein Vater« bricht er dann komplett aus und rührt viele, einschließlich mich, zu Tränen. In diesem Moment beschließe ich, dass ich ihn unbedingt nach einem Interview fragen möchte. 

Hier ist es also, das (vorerst) letzte Interview zu KU DAMM 56. Ein Gespräch mit Musicaldarsteller Jacob Hetzner – über die Interpretation seiner Rolle Joachim Franck und dessen Männer- und Frauenbild, Trigger auf der Bühne, warum Jacob lieber die bösen Rollen spielt und wie ihn sein Weg vom Buchhandel auf die Musicalbühne brachte. 

 

[TW: In diesem Interview spreche ich mit Jacob Hetzner über persönliche Trigger, Tod, eine Vergewaltigung auf der Bühne und dessen Auswirkungen auf seine Rolle. Wenn es dir mit diesen Themen nicht gut geht, lies das Interview bitte nicht.]

»Joachims Vater ist für ihn eine Art Übermensch.«

Nachdem ich dich auf der Bühne gesehen habe, habe ich gelesen, dass du dich viel mit Mut und Emotionen auseinandersetzt. Wie hat dir das geholfen, die Rolle des Joachim anzugehen? 

Erstmal so, wie ich mich mit jeder Rolle befasse, die ich spiele. Ich versuche sie zu begreifen – warum sagt diese Person, der ich meinen Körper leihen soll, das? Warum handelt sie so? Was denkt sie über sich selbst und über die Menschen, mit denen sie auf der Bühne eine Beziehung eingeht? Was denkt sie über die Welt? 

Und dann erarbeite ich mir ein Weltbild, das dazu passt. 

Wie sieht Joachims Weltbild aus? 

Er sagt: »Es kommt mir vor, als gehörte ich nicht in diese Zeit.« Er fühlt sich falsch und fehl am Platz. Er ist sehr einsam – und das wirft er der Welt vor. 

Nicht seinem Vater? Oder ist sein Vater seine Welt? 

Das ist mal eine gute Frage. Sein Vater nimmt auf jeden Fall eine extrem große Rolle in seiner Welt ein, weil er für ihn so eine Art Übermensch ist. Die Hintergrundgeschichte ist ja, dass Harald, der ältere Franck-Bruder, eigentlich das Werk des Vaters übernehmen sollte. Er sollte die Firma leiten, war der gute Soldat und der nächste Mann im Haus. Joachim ist unfassbar sensibel, hoch emotional, kann es aber nie rauslassen. Er stand sehr lange im Schatten seines Bruders und konnte dort, denke ich, sein Ding machen. Ich glaube, er hat früh angefangen, Gedichte zu schreiben – wahrscheinlich gar nicht so gut. Und dann stirbt sein Bruder im Zweiten Weltkrieg und plötzlich muss Joachim ran, will er aber nicht. Er hat viele Träume, aber ist kein Macher, und das macht was mit dir, wenn du immer träumst, aber nie anfängst. Das führt zu Selbsthass. Und er kriegt auch den ganzen Hass von seinem Vater ab, der gerne hätte, dass Harald noch da ist und Joachim tot. 

Jacob Hetzner
© Felizia Kampa

Jacob Hetzner

wurde 1994 in Dillingen an der Donau geboren. Nach seinem Abitur absolvierte er bis 2016 eine Ausbildung zum Buchhändler. Schon während dieser Zeit und vor allem von 2016 bis 2018 bereitete er sich an der Berufsfachschule für Musik in Sulzbach-Rosenberg intensiv auf das Musicalstudium vor, welches er anschließend an der Theaterakademie August Everding begann. 2021 schloss Jacob mit dem Bachelor ab, 2022 folgte dann der Master. Bereits während des Studiums stand er in verschiedenen Rollen in AMERICAN IDIOT und SWING STREET auf der Bühne, sein erstes Ensuite-Engagement war KU’DAMM 56, wo er eine feste Ensembleposition und das Cover Joachim Franck verkörperte.

»Ich will nicht werden wie mein Vater, in seine Schlacht werd ich nicht zieh'n.«

Glaubst du tatsächlich, dass Otto Franck will, dass Joachim tot ist? 

In meiner Welt kommt es mir als Joachim zumindest so vor. Ich bin manchmal auch sehr sauer auf Harald, dass er gestorben ist.  Joachim fühlt, dass er zu mehr bestimmt ist – handelt zwar nicht danach, aber er will, dass die Leute das sehen. Und das will er auch bei seinem Vater. Ich selbst habe ein ähnlich schwieriges Verhältnis zu meinem Vater, den habe ich immer provoziert . Und deshalb zeigt mein Joachim auch erst im Lied, dass er sich klein fühlt, nicht in der direkten Interaktion mit seinem Vater, da will er groß wirken. 

Triggert dich das persönlich? 

Nein, das triggert mich normalerweise nicht. Einmal hat es mich bei »Ich will nicht werden wie mein Vater« ganz kalt erwischt, da ist mir dann auch das Lied ein bisschen entglitten. Das passiert. Aber eigentlich beschäftige ich mich genau deshalb so intensiv mit den Rollen, damit ich sie später an- und ausziehen kann. Ich hole die Rolle nicht in mich rein. Das ist vor allem wichtig, wenn man es acht Mal die Woche spielt. 

Ich habe einmal ein Stück gespielt, wo der Regisseur wollte, dass wir Method-Acting machen.  [ Schauspielmethode nach Lee Strasberg, bei der die schauspielende Person durch vollständige Annahme der Rolle und persönliche Empfindungen zu dieser eine noch realistischere Darstellung dieser erreicht. Anm.d.Red.] Ich habe das Stück nur einige Male im Monat gespielt, habe aber im Alltag plötzlich Sachen von der Rolle an mir entdeckt. Da habe ich entschieden, dass das nicht gut für mich ist. Ich bin davon überzeugt, dass man nicht alle Erfahrungen machen muss, die ein Charakter, den man spielt, erlebt, aber je größer dein emotionaler Wortschatz ist, desto mehr Möglichkeiten hast du natürlich auf der Bühne. Ich habe viele prägende Situationen in meinem Leben erfahren, davon zehre ich als Schauspieler. Nicht, weil ich in private Situationen gehe, sondern weil ich die jeweilige Emotion kenne und weiß, wie sie sich anfühlt. Ich hoffe, das überträgt sich. 

Total. Durch das neue, angepasste Ende bei »Ich will nicht werden wie mein Vater« nochmal mehr. Ich finde es dadurch viel intensiver. 

Ja, genau. Es ist jetzt das Ende der Deluxe-Album-Version. Ich kann mir vorstellen, dass Peter und Ulf [Peter Plate und Ulf Leo Sommer, die Komponisten des Stücks. Anm.d.Red.) das mit Max Mutzke [der den Song auf dem Deluxe-Album singt]  im Studio ausprobiert und dann für die Show adaptiert haben. Ich persönlich war erst skeptisch, weil eigentlich alles gesagt war, was gesagt werden muss. Es ist jetzt mehr Musical, was mich als Sänger freut, weil ich jetzt nochmal ein paar Töne belten kann. Ich merke aber, dass sich auch die Situation verändert – sie wird verzweifelter. Und das versuche ich anzunehmen. 

Jacob Hetzner Kudamm 56 Musical
© Felizia Kampa

»Man geht an den Punkt, wo es bei den Zuschauenden richtig weh tut.«

Ich finde, wenn wir über Joachim sprechen, steht noch ein Elefant im Raum. 

Ja. 

Die Vergewaltigung von Monika. Ich habe die Show oft gesehen und auch oft mit Menschen, die die Geschichte nicht kannten. Viele haben sich danach gefragt, warum Monika am Ende mit ihrem Vergewaltiger sympathisiert. Ich habe meine Theorie, aber mich würde deine Erklärung sehr interessieren. 

Eine Erklärung ist nicht so einfach, wenn man mit der Thematik nichts zu tun hat. Ich kann verstehen, wenn man sagt: »Er hat ihr Böses angetan, sie will ihn nie wieder sehen.« Aber im echten Leben ist das nicht so, im Gegenteil. Manchmal ist es schwierig, in bestimmten Konstellationen einfach Abstand zu nehmen. Ich verstehe, dass es teilweise nicht so nachvollziehbar erzählt ist. Es sind nur drei Stunden auf der Bühne und in der Serie gibt es ein paar Momente mehr, die der Geschichte gut tun. Zum Beispiel, dass Monika versucht, ihn umzubringen. Man hat im Musical nie den Moment, in dem sie dem Schmerz mal wirklich Raum geben kann. Klar, es gibt »Wenn du dich auflöst«, die Szene im Krankenhaus, und ich glaube, dieser Moment wäre für mich als Monika auch der Befreiungsschlag, aber so richtig wird der Weg nicht gebaut. Ich kann verstehen, wenn man das nicht nachfühlen kann, gleichzeitig finde ich genau das extrem großartig. 

Ich habe die Serie erst gesehen, als ich die Rolle bekommen habe, und ich fand es so toll, dass es thematisiert wurde und man an den Punkt geht, an dem es bei den Zuschauenden richtig weh tut. Sexueller Missbrauch passiert so oft in dieser Welt – und wir sehen ihn nicht. Frauen wird die Schuld zugeschoben, es wird verdrängt. Und dem gibt das Stück Raum. Und auch dem Gefühl, dass niemand einfach so ein böser Mensch ist. Menschen, die Böses tun, sind keine bösen Menschen. Sie tun Böses. Das muss man auf bestimmten Ebenen trennen, weil sie immer noch Menschen bleiben. Ich finde, es ist total wichtig, dass solche Taten strafrechtlich verfolgt werden, dass  Opfern geholfen wird, und es ist auch wichtig zu sehen, wie so etwas passiert. Es geht nicht darum, jemandem die Schuld an dieser Tat abzusprechen, sondern zu verstehen, was einen Menschen zu dieser Tat bewegt und möglichst andere Menschen nicht so zu behandeln. Die meisten sind so, weil sie es nicht anders kennen und weil mit ihnen auch so umgegangen wird. 

Und dazu kommen die gesellschaftlichen Ansichten der Zeit und die Meinung zu anderen Menschen, insbesondere Frauen, die er von Haus aus mitbekommen hat. 

Joachim hat nicht nur ein furchtbares Frauenbild, sondern auch ein vollkommen veraltetes Männerbild. In meiner Welt will Joachim Monika bestrafen, weil sie seinen Triggerpunkt reizt: »Sie taugen zu nichts, Ihr Vater hat recht.« Er hält sich selbst für einen Taugenichts, weil er seine Träume nicht verfolgt und nicht für sich einsteht, sein Vater sagt ihm das ja auch, aber gegen den kann er sich nicht wehren. Dann ist er besoffen, hat eh Bock auf Sex und die arme Monika ist eben da. Bevor er überhaupt realisiert, was er tut, passiert es. 

In München gab es einen womöglich vergleichbaren Fall. Ein Mann war wütend im Café und an einem anderen Tisch hat ein anderer Mann  laut geredet, das hat den Ersten so aufgeregt, dass er ihn in einer Kurzschlusshandlung geschlagen hat. Das führte zu einer später tödlichen Verletzung und der Mann ist wegen Totschlags für zehn oder zwölf Jahre in den Knast gegangen. Manche Taten werden geplant, aber so viele grausame Dinge passieren, weil die Menschen in  kurzen Momenten die Kontrolle über das verlieren, was sie tun. Die tägliche Maske fällt, weil sie keine Energie mehr haben, sie aufrechtzuerhalten.

Wird Joachim für seine Taten vom Publikum entschuldigt? 

Ja, das ist auf jeden Fall etwas, was ich – meiner Meinung nach, leider – oft beobachte. Er ist nach der Show oft der arme, kleine Kerl. Und ich denke mir: Joachim sagt, dass er sich schämt, aber er entschuldigt sich kein einziges Mal bei Monika. Man darf nicht vergessen, dass Joachim die Möglichkeit hätte, sich zu entschuldigen. In meiner Welt schafft er das aber irgendwann und wird dann wirklich ein besserer Mensch. 

Und was ich zum Kuss am Ende noch sagen möchte: Für mich ist das ein Friedensangebot. Das hat nichts mit Romantik zu tun. Ich glaube, dass Freddy und Monika eine romantischere Beziehung haben, auch wenn Freddy das nie zugeben würde. Vor allem Joachim begegnet Monika lange nicht wertschätzend; das ist ein total dominierender Egotrip von ihm, wenn er beispielsweise mit der Mutter bespricht, ob Monika Zeit hat, sich mit ihm zu treffen. Absolut widerlich und arrogant. Er sieht nur sein persönliches Leid und will sich reinwaschen. Wenn ich Joachim spiele, will ich ihn verständlich machen. Mein Ziel war nie, dass man ihn mögen muss. Ich wollte nicht, dass er im Selbstmitleid trieft, deshalb spiele ich ihn  kämpferischer. Und ich möchte nicht, dass er bemitleidet wird.. 

Jacob Hetzner Interview
© Felizia Kampa

»Rollenentwicklung am Arsch.«

Du spielst gerne solche Figuren, oder? 

Ja, ich liebe es, solche Charaktere zu spielen. Seitdem ich spiele, spiele ich fragwürdige Personen.  Ich merke, dass meine Stärke in solchen Rollen liegt – ein bisschen düster und dunkel. Da hat man als Schauspieler viel zu spielen. Was mich früher angetrieben hat, solche Rollen zu spielen, war auch das Interesse daran, warum Menschen gewisse Dinge tun. Ich konnte so Situationen erleben, die ich nie wirklich erleben möchte.  

Was spielst du lieber – im Ensemble oder als Joachim? 

Definitiv Joachim. Ich komme ja  aus dem Schauspiel, liebe das Musical aber für die Wucht, die sich entfaltet, wenn Tanz, Gesang und Schauspiel zusammenkommen. Das schafft meiner Meinung nach kein anderes Genre im Theater oder in der Musik. Aber in meiner Seele bin ich ein Spielender. Ich spiele gerne und da habe ich mit Joachim viel mehr Möglichkeiten. Ich mag auch meinen Ensembletrack und werfe mich da jeden Abend neu rein, aber ich finde  dann vor allem in der Interaktion mit meinen Kolleg:innen Freude. Manchmal mache ich dann auch Quatsch, um noch mehr Spaß zu haben. (lacht)

Sind dir auch schon mal lustige Pannen passiert?

Es gibt ja die Szene vor »Was wäre wenn«, in der ich als Joachim an der Schreibmaschine sitze und erst mit dem Vater und dann mit Monika spreche. Das ist meine Nemesis-Szene. Wenn ich mich verspreche, dann da. Das erste Mal, als ich mich da versprochen habe, habe ich statt »Fräulein Monika« »Fräulein Erika« gesagt … da war halt Schicht im Schacht, das geht gar nicht. Rollenentwicklung am Arsch. Alles kaputt gemacht, was man kaputt machen kann. (lacht)

Haha, wirklich einer der miesesten Fehler überhaupt. 

Definitiv. Richtig dumm. Ich habe es dann korrigiert, aber es hat es eigentlich noch schlimmer gemacht. Sandra [Sandra Leitner, Erstbesetzung der Monika Schöllack. Anm.d.Red.] hat dann auch ziemlich angepisst gespielt. (lacht)

In der gleichen Szene habe ich auch schon statt »Herr Marek mag keine kleinen Hunde« gesagt, »Herr Marek mag keine kleinen Hände«. Manchmal habe ich auch die Sätze vertauscht und Sandra kam dann immer schon mit einem lachenden Auge die Treppe hoch. 

»Ich wollte nicht das Paket sein, in das sie mich gerne geschnürt hätten.«

Du hast dein Studium vor einem Jahr abgeschlossen. Wie kamst du zum Musical? 

Ich habe mir das mit achtzehn in den Kopf gesetzt, konnte aber noch nicht wirklich singen und tanzen. Deswegen habe ich erstmal eine Ausbildung zum Buchhändler gemacht, damit meine Mama entspannt ist. . Als Kind wollte ich Vampir werden (lacht) und meine Eltern waren in »Tanz der Vampire« und haben mir die CD mitgebracht. Ich habe dann auf eine Kassette alle Krolock-Lieder draufgespielt und habe versucht, das zu singen. Das muss teilweise richtig schrecklich gewesen sein, denn meine Grundschullehrerin verbot mir, mitzusingen.

Ich habe neben der Buchhändlerausbildung Theater gespielt, Gesangsunterricht genommen und nach viereinhalb Jahren Vorbereitung die Aufnahmeprüfung gemacht. Und dann habe ich vier Jahre lang Musical studiert. 

Und dann hast du noch im Studium die Rolle des Joachim bekommen? 

Nein, ich dachte, ich bin arbeitslos nach dem Studium (lacht). Ich hatte voll die Krise, ob ich das überhaupt machen will, weil das Studium für mich ein bisschen schwierig war. Und ich hätte es nicht gewollt, wenn es so wäre wie im Studium. 

Zu mir wurde beispielsweise mal gesagt: »Jacob, du bist ein Sänger, du kannst nicht schauspielern wie ein Schauspieler.« Das finde ich heute nur falsch, aber damals hat mich das aus der Bahn geworfen. Ich wollte oft etwas ausprobieren und es wurde mir  ausgeredet. Das war alles sehr im Typecasting und ich wollte nicht das Paket sein, in das sie mich gerne geschnürt hätten. 

Ich, der also dachte, er sei  arbeitslos,  bekam dann einen Anruf , ob ich mir vorstellen könnte, als Cover bei Ku’Damm 56 mitzuspielen. 

Du wurdest direkt angefragt?

Ich wurde empfohlen – und weiß bis heute nicht, von wem. Ich dachte, ich wüsste es und habe mich bei der Person bedankt, die es aber am Ende doch nicht war. Ich wurde dann für eine Einzelaudition bei Christoph [Christoph Drewitz, Regisseur der Show. Anm.d.Red.] angefragt. Und dann habe ich eine Woche später die Rolle bekommen. Und plötzlich hatte ich einen Job. 

 

Du hast gerade gesagt, du bist für deine Begriffe am ehesten Schauspieler. Wieso?

Ja, weil ich während meiner Buchhändlerausbildung viel geschauspielert habe. Und ich glaube, wenn ich für etwas Talent habe, dann dafür. Beim Singen bin ich totaler Techniknerd geworden, weil ich das alles technisch lernen musste, da hatte ich keinen natürlich guten Zugang für. Und ich bin auch nicht der allerbeste Tänzer. Aber  das Schauspielern  ist  das, wo  mein Herz am meisten erblüht. 

Und nach Ku’Damm 56? Machst du weiter Musical? 

Ja, unbedingt. Es steht einiges im Raum. Unter anderem auch Film – ich bekomme da oft das Feedback, dass das mein Ding sein könnte. Ich schau einfach mal, was sich jetzt ergibt. Ich hätte wirklich Lust auf Film, weil man da so unfassbar natürlich schauspielern kann. 

Kudamm 56 Musical
© Privat

»Mehr ist manchmal mehr, aber weniger kann auch mehr sein.«

Welche Erfahrung hast du aus Ku’Damm 56 mitgenommen? 

Acht Shows pro Woche sind sehr viel. Man muss wirklich auf sich aufpassen. Gute Ernährung ist sehr wichtig. Ich meditiere außerdem – in letzter Zeit täglich eine Stunde. Ansonsten verzichte ich auf Alkohol. Sowas eben. Stimmlich muss ich aufpassen – man kann nicht jeden Tag gleich energetisch singen. Es sollten immer die 100 Prozent des Tages sein, und das sind eben manchmal nur 80 Prozent des Gesamten. 

Außerdem – mehr ist manchmal mehr und weniger kann auch mehr sein. Das bezieht sich vor allem auf das Schauspiel. Ich dachte nach dem Studium, dass ich »typisches« Musical machen muss. Und das war bei mir manchmal voll drüber. Ein ehemaliger Mentor sagte mir: »Alles, was dein Schauspiel ausgemacht hat, hast du im Studium verloren«. Das war die beste Kritik überhaupt, weil ich jetzt angefangen habe, wieder  kleiner zu spielen. Ich bin vorher wirklich zum totalen Pathos tendiert (lacht).  Deshalb: mehr bei der Lautstärke, der Energie. Aber auch weniger – wenn die Energie voll da ist, kann ich sie auch voll unterdrücken. Das kriegen die Zuschauenden dann trotzdem mit. 

Erzähl nochmal ein bisschen was zu deiner Musik, du hast jetzt auch bei Spotify Musik herausgebracht. 

Ich  bin schwer in ein Genre einzuordnen. Ich habe überlegt, was ich am liebsten mache und das war eben was mit Orchester. Das ist sicher nicht die gefälligste Musik, aber es macht mir großen Spaß.  

 

Wie ist diese Art von gesungen-instrumentaler Musik entstanden? 

Ich war im Ballettsaal im Theater und wusste, mir fehlt was. Dann habe ich die Akkorde am Klavier gespielt und gesungen. Der erste Text war: »Ich hab Sehnsucht nach dir.« Dann habe ich gedacht, dass ich eigentlich gar keine Sehnsucht nach jemandem habe. Dann habe ich gesungen: »Ich hab Sehnsucht nach mir«, was auch nicht gepasst hat. Und irgendwann habe ich nur gesummt und habe es einfach dabei belassen. Und wenn ich Texte schreibe, sind die eher im Chanson oder Pop angesiedelt, wobei ich auch schon Electronic-Metal geschrieben habe. Willste hören? 

Klar! [Hier bitte ein cooles Electronic-Metal-Lied einfügen 😉 ) 

Ich habe einen Podcast mit dir gehört und du hast gesagt, dass du jeden Tag eine mutige Entscheidung triffst. Welche war es heute? 

Mein Vater war spontan übers Wochenende in Berlin und ich habe mich entschieden, ihn heute morgen auf einen Brunch zu treffen. 

Und last not least – wir sind hier ja auch auf einem Bücherblog und du bist Buchhändler – was liest du so, was kannst du aktuell empfehlen? 

Zuletzt habe ich »Three women« von Lisa Tadeo gelesen, das kann ich jedem und jeder empfehlen. Das ist ein Buch über das weibliche Erleben von Sexualität dreier sehr unterschiedlicher Frauen. Ansonsten lese ich viel über Neurobiologie und Spiritualität, das ist ein Hobby von mir. Ich habe irgendwann festgestellt, dass mich die Fragen interessieren, die Neuro stellt, weil das fast spirituelle Fragen sind: Was wollen wir sein, wo geht es hin, was macht uns glücklich? Einmal wird es eben wissenschaftlich erklärt und einmal durch die Beobachtung von Menschen.

Ihr seid neugierig geworden und möchtet das Musical sehen?

Ab Herbst 2023 kommt es zurück und geht auf Tour!

 

Bis dahin könnt ihr hier die vollständige Showaufnahme des ZDF sehen: 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert