Wir und Es [Rezension und Autoreninterview]

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Inhalt

Wer sind wir? Wann werden wir zu dem, was wir sind? Und wodurch?

In den Neunzigern beginnt für fünf Freunde die Suche nach der eigenen Identität. Umwege, Abwege und Unwägbarkeiten führen sie in ein selbstbestimmtes Leben.

Finden sie alle ihre Bestimmung?

Alles wird sich ändern, wenn wir groß sind … hoffen wir. Als Kind, als Heranwachsender. Sogar als Erwachsener manchmal noch. Und alles ändert sich tatsächlich. Auch wenn die Fäden der Freundschaft zerfasern, laufen sie irgendwann wieder zusammen. Dann werden sie unser Rettungsseil. Oder strangulieren uns.

Meinung

Immer wenn ich kann, beginne ich bei einem Buch mit dem äußeren – kann es mich optisch ansprechen, gibt es Auffälligkeiten im Cover, wo liegt das gewisse Etwas? „Wir und Es“ hat ein wirklich zauberhaft schönes Design. Es sticht sofort ins Auge und kann durch die bunten Farben und den trotzdem minimalistischen Stil überzeugen.

„Wir und Es“ hat eine unkonventionelle Erzählweise, die an den entscheidenden Stellen genügend Raum für den Leser lässt, sich selbst ein Bild zu machen. Gewisse Aspekte der Geschichte wirken befremdlich, zuweilen sogar verstörend, aber durch die Nähe zur Realität werden sie greifbar. Und lassen den Leser so schnell nicht wieder los. Thematisch birgt die Handlung viele Aspekte, die jeder Leser kennt, die aber dennoch nicht beliebig sind und ihn zum Reflektieren anregen.

Es geht ja nicht nur um geschlechtliche Identität, sondern auch um das Erwachsenwerden, Toleranz, Offenheit und die Frage nach der Wahrnehmung. (Larissa Schwarz)

Genau dieser Stil hat mich im Übrigen auch an der Geschichte so fasziniert. Larissa Schwarz schreibt schlicht, einfach aber keinesfalls anspruchslos. Hier liegt die Spannung wirklich in den Kleinigkeiten, den Momenten. Abwechselnd erzählt sie aus den unterschiedlichen Perspektiven der Freunde, der Leser merkt, dass sie jedem Einzelnen etwas Besonderes gibt, versucht, die Atmosphäre immer wieder anzupassen.

Anfangs war es für mich wirklich schwer, in das Buch hineinzufinden. Die Kapitel sind so kurz, man hat kaum Zeit, einen Charakter kennenzulernen, da kommt schon der Nächste. Es gibt plötzliche Einstiege, jedes Kapitel gleicht einer Kurzgeschichte und hat mich zwischenzeitlich in der Machart an den kleinen Bruder von „Ein wenig Leben“ erinnert.

Da ich die 1990er selbst erlebt habe und die Handlung nicht an einen Ort gebunden ist, war verhältnismäßig wenig Recherche im klassischen Sinne notwendig. Über die DGTI hatte ich Kontakt zu Transpersonen, ich habe einige Lebensberichte gelesen und auch zwei befreundete Autorenkolleginnen haben mit der Veröffentlichung ihrer Geschichte ein Stück dazu beigetragen, dass „Wir und Es“ das Licht der Welt erblickt hat. (Larissa Schwarz)

Man lernt die Geschichten vieler Personen kennen, irgendwann begegnen diese sich, sie erinnern sich in Flashbacks an ihre Vergangenheit und tragen alle eine Faszination in sich, die ich mir bis heute nicht erklären kann.

Es war schnell klar, dass die Geschichte nicht aus einer oder zwei Perspektiven erzählt werden kann, denn so hätten die Erzähler viel zu viel deuten müssen, zu viel Interpretationsspielraum genommen. Ich habe weitestgehend chronologisch gearbeitet; dazu habe ich einen Kapitelplan angelegt, der mir gesagt hat, wann wer welchen Teil erzählt und worauf es dieser Person jeweils besonders ankommt. Da ich sehr konkrete Personen vor Augen hatte, war es weniger verwirrend als anstrengend, ihnen genau „zuzuhören“ und die Informationen und das Erzählte zu filtern und zu verarbeiten, dabei aber eben den jeweiligen Sprachduktus und Charakter nicht untergehen zu lassen. (Larissa Schwarz)

Das Buch ist so ruhig und eben dadurch laut, es provoziert, ohne den Finger zu heben, es trägt eine Geschichte, die ruhig fließt und trotzdem die Kraft besitzt, mit einem Wort alles zu zerstören. Und ich kann nicht mal sagen, ob ich alles verstanden habe, denn ich war tatsächlich nach dem ersten Mal so verwirrt, dass ich es noch ein zweites Mal lesen musste. Diesmal mit einem gewissen Hintergrundwissen, ich konnte die Charakterzüge und Handlungen besser verstehen und trotzdem hat mich das Buch leer zurückgelassen, allein mit meinen Gedanken und Fragen.

Ich muss gestehen, dass ich über diese Frage zunächst geschmunzelt habe, dass sie mich aber gleichermaßen auch sehr berührt hat, weil sie zeigt, wie sehr dieses Buch eben auch berühren kann, wenn man sich darauf einlässt. Gleichwohl weiß ich leider keine universelle Antwort darauf, da das ein höchst individueller Prozess ist. Eine Leserin hat ihrem (non-binären) Kind daraufhin einen Brief geschrieben und darin ihre Gefühle zum Ausdruck gebracht. Ein anderer Leser hat das Gespräch mit einer transidenten Person gesucht, um welches er sich schon länger gedrückt hat, weil er nie wusste, was er sagen sollte. Ein weiterer Leser hat mir geschrieben, dass er daraufhin wieder mit der Malerei begonnen hat … Jeden berührt diese Geschichte anders, an einer anderen Stelle und auf eine andere Art. Nach einer Lesung habe ich mit den Zuhörern noch eine knappe Dreiviertelstunde über das Buch gesprochen und über Mobbing, Diskriminierung, den Umgang mit dem Anderssein im Alltag, das war sehr wohltuend und hat, hoffe ich zumindest, alle mit etwas weniger Leere den Raum verlassen lassen. Sich Gedanken darüber machen, diese aufzuschreiben oder zu visualisieren, sein eigenes Verhalten zu reflektieren und ggf. das Gespräch mit jemandem zu suchen, ist vermutlich nicht der Königsweg, aber hilft sicherlich, die (durchaus positive) Botschaft des Buchs zu verinnerlichen. (Larissa Schwarz)

Als ich überlegt habe, welche Bewertung ich abgeben kann, war ich wirklich unentschlossen. Irgendwie sind es die 5 Sterne, denn das Buch hat etwas Neues, etwas Inspirierendes, spricht Themen an, ohne sie zu nennen und ist damit auf keiner Seite Mainstream. Andererseits habe ich auch wirklich lange gebraucht, um in die Geschichte hineinzufinden, mich mit der Situation vertraut zu machen und alles zu verstehen, eben gerade, weil der Stil ohne die gewohnten ausschweifenden Metaphern, Redewendungen und immer wiederkehrende Pointen daherkommt. Deshalb möchte ich für die Idee 5/5 Sterne vergeben, jedoch einen Punkt in der Umsetzung abziehen, was mich letztlich auf eine Bewertung von 4,5/5 möglichen Sternen bringt.

Mit dem Beschluss über die Anerkennung des dritten Geschlechts durch das Bundeskabinett waren Trans- und Interpersonen im Jahr 2018 plötzlich scheinbar in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Betroffene sind jedoch nach wie vor Berührungsängsten und Rassismus ausgesetzt, was man leider auch immer wieder liest. Da ich zu Schulzeiten mit einem Transgender befreundet war, kenne ich diese Berührungsängste nicht, wohl aber deren Auswirkungen. Insofern gab es zwar keinen konkreten Auslöser, aber eben genügend Gründe, die Geschichte zu schreiben.

(Larissa Schwarz)

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