„Engelsgleich“ [Rezension]

Engelsgleich: Thriller von [Krist, Martin]

Abartig, hinterhältig und sensationell schaurig!

Autor: Martin Krist

Preis: 13,99€ (TB), 0,99€ (digital)

Verlag: R&K

Seiten: 506

Inhalt

In Berlin wird Hauptkommissar Paul Kalkbrenner zu einem Tatort gerufen. Auf einem Fabrikgelände wurde der verstümmelte Leichnam einer jungen Frau entdeckt. Unweit davon befinden sich stinkende Kloakebecken. Fassungslos müssen Kalkbrenner und seine Kollegin Sera Muth ansehen, wie eine Leiche nach der anderen aus den Gruben geholt wird.
Ist unter ihnen auch die verschwundene Merle, die von ihrer Pflegemutter Juliane Kluge verzweifelt gesucht wird?

Meinung

Optisch passt sich das Buch perfekt an „Drecksspiel“ an, man sieht wunderbar, dass die Bücher zu einer gemeinsamen Reihe gehören, die Cover sind schlicht und eben dadurch ein Blickfang- so mag ich das!

Dadurch, dass ich nun bereits ein wenig mehr aus dem Krist- Universum gelesen habe, wusste ich ungefähr, was mich erwarten könnte, welche Themen auf mich zukommen. Aber mit so einer abartigen Brutalität und gleichzeitigen Spannung hätte ich niemals gerechnet.

Für mich hat der Autor in diesem Roman gezeigt, was er wirklich kann und eine Steigerung innerhalb der Reihe bewiesen. Für mich konnte „Engelsgleich“ noch mehr als „Dreckspiel“, es kamen zusätzliche Elemente und ein paar Ruhepole hinzu, die ich zuvor vermisst hatte. Nichtsdestotrotz ist er seinem Stil die ganze Zeit treu geblieben. Multiperspektivisch beschreibt er verschiedene Erzählstränge, die mal parallel ablaufen, zeitlich versetzt sind und dann wieder aufeinander aufbauen. Mit klarer Sprache beobachtet er, definiert präzise einzelne Momente, zoomt, verkürzt und ist dann wieder ganz nah an den Figuren. Die einzelnen Szenen sind schnell und enden oft mit einem Cliffhanger, was für eine enorme Sucht sorgt. Besondere Raffinessen erfährt der Thriller durch die Zeitebenen, die hier und da zunächst nicht klar sind und man irgendwann dahinterkommt, dass wohl nicht alles in der Gegenwart passiert sein kann…

Der Thriller ist emotional so zerbrechlich aufgebaut, dass das Konstrukt jederzeit einstürzen kann und nur noch die Härte, Schonungslosigkeit und sachlich- kühlen Beschreibungen bleiben. Egal ob bei Juli, einer jungen Mutter, die verzweifelt ihre Tochter sucht; Kommissar Kalkbrenner, der die Ermittlungen in mehreren Morden leiten muss; Anezka, einem junges Mädchen auf der Flucht oder Markus, der mitten in der Drogenszene Berlins steckt – Krist findet immer die passenden Worte. Er beschreibt seine Charaktere eindeutig, unverwechselbar und trennt sie klar voneinander, sodass es mir als Leser nie schwerfiel, sie den richtigen Handlungssträngen zuzuordnen. Der Autor ist kein Mann vieler Worte, bei ihm ist es auf den Punkt, akzentuiert und ohne Blabla. Er schafft keine Helden, zeigt stattdessen, dass jeder Laster hat, menschlich ist.

Besonders in Anezka hat er viel vereint, was mir gut gefällt. Sie ist stark, mutig und gebrochen, ich konnte jeden Schmerz mitfühlen, habe ihr alles abgekauft, wollte das Buch anschreien ob des Leides, welches sie erfährt. Für mich war sie der zwischenzeitliche Ruhepol, auch wenn sie wohl die härtesten Szenen abbekommen hat. Dadurch, dass man sie zu Beginn kaum einordnen kann, hat sie in der schnellen und komplex strukturierten Geschichte hier und da die Bremse gezogen, und ist trotzdem immer am roten Faden geblieben.

Ich habe Martin Krist nun schon mit einigen seiner Bücher auf diesem Kanal vorgestellt und war jedes Mal begeistert, doch mit „Engelsgleich“ hat er für mich wirklich den Vogel abgeschossen. Es ist für mich das, was ich immer in einem Thriller gesucht habe. Nicht nur sprachlich absolut einzigartig und im Konzept überzeugend, sondern auch noch am Zahn der Zeit, erschreckend real und auch für erfahrene Leser eine Überraschung. Definitiv kein Buch für zwischendurch, dafür liefert es zu viel in zu kurzer Zeit. Man muss sich darauf einlassen und die Geschichte hundertprozentig wirken lassen.  Für mich ist das hier ein klarer Fall von 5/ 5 Sternen und einer absoluten Empfehlung – abartig, hinterhältig und sensationell schaurig!

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