Amazon und der Buchhandel – Corona & neue Chancen.

Was hat eine Buchhandlung, was Amazon nicht hat und wie schafft sie es durch den zweiten Lockdown?

Vor einigen Tagen habe ich einen Instagram-Post veröffentlicht, in welchem ich über die (leidige) Debatte „Buchhandel vs. Amazon“ schrieb und mich mehr oder weniger auf der Seite von Amazon positionierte. Wer mich kennt weiß, dass das nicht unbedingt meine Art ist und ich, mehr noch als die Vorzüge Amazons, die Zusammenarbeit mit dem Thalia Neubrandenburg schätze. Kurzum: Hier folgt die Antwort auf den ersten Post. Freundlich unterstützt vom Thalia Neubrandenburg.

Was bisher geschah …

»Es ist nicht so, dass Amazon der Buchbranche passiert. Was der Buchbranche passiert, ist die Zukunft.«
(Jeff Bezos, Unternehmer und Gründer des Onlineversandhändlers Amazon)

Bei Recherchen zu einer Hausarbeit bin ich auf dieses Zitat gestoßen. Es stammt aus einem Artikel, welchen ZEIT online 2014 unter dem Titel “Brauchen wir Amazon?” [1] veröffentlichte. Geschildert wird darin unter anderem der Aufstieg Amazons zum größten Onlineversandhändler weltweit. Außerdem geht es um die Bedrohung seitens Amazon für den (deutschen) Buchhandel und die Aussage, dass die Verlage Amazon bräuchten, Amazon jedoch nicht zwangsläufig auf die Verlage angewiesen ist. (Was uns spätestens 2020 gezeigt hat, als Amazon für kurze Zeit kaum noch Bücher auslieferte und viele Verlage öffentlich dagegen protestierten. [2])

Auch die Prognose, dass Amazon (trotz eines verlorenen Rechtsstreits mit dem Deutschen Börsenverein [3]) durch Aufhebung oder Lockerung der Buchpreisbindung die Verlage und Veröffentlichungen angreifen könne, stammt aus diesem Artikel. (FunFact: Der Artikel wurde im Juli 2014 veröffentlicht, seit Oktober 2014 gibt es Kindle Unlimited, womit Amazon die BPB zwar nicht aufhob, sie jedoch durch eine Flatrate
außer Kraft setze, da die BPB für ausgeliehene Titel nicht gilt.)

Was mich interessiert: Wie steht ihr zur Aussage von Bezos?
Dass Amazon DIE Konkurrenz zum Buchhandel ist, steht außer Frage. Aber sind diese Entwicklungen nicht nur die logische Konsequenz auf fehlende Initiative seitens des Buchhandels, frei nach dem Motto: “Wer nicht hören will, muss fühlen?”, und glaubt ihr, man hätte die “Übernahme durch Amazon”[3] verhindern können, wenn man rechtzeitig (und wenn ich rechtzeitig sage, meine ich etwa die Zeit der Jahrtausendwende!) reagiert hätte?


Interview mit dem Thalia Neubrandenburg

»Jeder Einzelne entscheidet, wo er kauft, wie er kauft und welche Welt er damit erschafft.«

Sarah:
Ihr Lieben, zweite Welle, zweiter Lockdown, wieder werden die Buchhandlungen geschlossen. Mit was für einem Gefühl geht ihr in die nächsten Wochen?

Thalia Neubrandenburg:
Weihnachtsgeschäft und geschlossene Buchhandlungen: Das passt natürlich nicht zusammen! Jedoch machen wir das Beste aus dieser unumgehbaren Situation, reagieren flexibel und sensibel auf aktuelle Geschehnisse: So gibt es uns nun vor Ort mit einer Abholstation. Buchtitel online auf www.thalia.de oder via Thalia-App bestellen und bei uns vor Ort abholen. Wer online nicht unterwegs ist, ruft uns an oder schreibt eine E-Mail. Wer sich in der Stadt aus gegebenem Anlass nicht sicher fühlt: Wir liefern! Ob das Paket in der Post oder durch Kolleg:innen auf dem Rad. Jeder Büchermensch erhält durch uns sicher und flexibel sein Buch und, falls gewünscht, dieses auch liebevoll als weihnachtliches Geschenk verpackt. Neubrandenburg und sein Umland haben viele treue Leser:innen, die auf unseren verschiedensten Kanälen „vor Ort bei uns“ einkaufen. Wir schätzen dies sehr und sich zuversichtlich: Wir werden diese für den Einzelhandel prekäre Situation wuppen!

Sarah:
Auf Instagram sieht man immer wieder Buchhandlungen, die ihre Leser:innen geradezu anflehen, sie neben Amazon und Co. nicht zu vergessen. Mal ehrlich: Wie schlimm steht es wirklich um den Buchhandel und ist daran nur Corona schuld?

Thalia Neubrandenburg:
Wir denken, dass hier nicht nur der Buchhandel allein im Fokus steht, sondern es tatsächlich fast den kompletten stationären Einzelhandel betrifft. Corona allein ist an dieser Lage nicht schuld, Corona verschärft aber den Trend, Corona kanalisiert einen Trend der „Bestellungen von zuhause aus“ in der aktuellen Situation. Weder Amazon und Co. noch Corona sind schuld.
In diesen Zeiten schenkt ein gutes Buch, sei es Fiktion oder Ratgeber, dem Menschen Halt; ist die Buchhandlung ein Ruhepol im Chaos, Anlaufstelle für kurzweilige oder tiefgründige Unterhaltung. Und dann ist es eine Frage der persönlichen Präferenz: Wo kaufe ich mein Buch, welchen Kanal unterstütze ich? Stecke ich mein Geld ausschließlich in den Online-Kanal oder gebe ich einen Teil in den Buchladen vor Ort mit meinem Lieblingsbuchhändler an der Theke und unterstütze so, dass ich durch die Innenstädte flanieren kann, stöbern und über die Auslage staunen kann?

Sarah:
In meinem letzten Post schrieb ich, dass die Übernahme des Buchhandels durch Amazon eine logische Konsequenz auf fehlende Initiative seitens des Buchhandels ist. Butter bei die Fische: Was habt ihr, das Amazon nicht hat?

Thalia Neubrandenburg:
Den Online-Kanal haben wir schon einmal gemein. Dazu sind wir Ansprechpartner:innen vor Ort, sind direkt und unmittelbar für die Leser:innen da, sind kein Gesicht, das online hinter Quellcodes verschwimmt, sondern ein Gesicht, das im Herzen von Neubrandenburg präsent ist in einer Buchhandlung mit Büchern zum Anfassen, Blättern, Stöbern, Wegdenken. Und … Wir sind vom Fach her Buchhändler:innen. Wir leben unsere Profession voll und ganz! Wir organisieren Lesungen und Veranstaltungen, laden Autor:innen ein, diskutieren mit diesen über ihre Werke, lassen ihre Geschichten leben und sind somit in der Lage, uns mit Kund:innen gegenseitig geistigen Input zu geben.
Wir präsentieren uns nicht nur auf der einen Plattform, sondern schaffen einen Spagat, auf allen Plattformen da zu sein. Es ist an nun jedem Einzelnen, wohin eine Gesellschaft sich entwickelt und was sie will! Jeder Einzelne entscheidet, wo er kauft, wie er kauft und welche Welt er damit erschafft.

Sarah:
Möglichst viele Bücher vor Ort kaufen. Dass euch das am meisten hilft, ist bekannt.Wie kann man euch sonst noch während des Lockdowns unterstützen?

Thalia Neubrandenburg:
Liebe Sarah, an dieser Stelle sei Dir zuallererst von Herzen gedankt! Danke für Deine jahrelange Unterstützung, die Du uns stets so energiegeladen und kreativ entgegenbringst.

Sarah:
Der Dank ist ganz auf meiner Seite! Es ist mir und uns eine riesige Freude, uns immer wieer kreativ bei euch zu entfalten!

Thalia Neubrandenburg:
„Wie kann man uns unterstützen?“, fragst Du. Das heißt eigentlich: „Wie kann man den Buchhandel unterstützen?“ „Wie kann man das Lesen fördern?“ Lest euren Kindern vor! Verschenkt Bücher zu Weihnachten! Wir helfen euch gern bei der Auswahl des Buches! Während des Lockdowns hilft uns ganz konkret, wenn Bücher übers Telefon unter 0395/3631510 oder über unsere E-Mail-Adresse thalia.neubrandenburg@thalia.de bestellt werden. Wir senden euch das Paket mit der Post zu und liefern mit dem Rad im Umkreis aus. Erzählt dies gern weiter; das hilft uns jetzt.

Sarah:
Und zuletzt: Welches Buch könnt ihr für die kommenden Feiertage empfehlen? Habt ihr einen last-minute Geschenke-Tipp?

Thalia Neubrandenburg:
Wir empfehlen „Mein Bruder heißt Jessica“ von John Boyne, ein Buch für Jugendliche im Alter von 12 bis 15, in dem Gender und Rollenklischees thematisiert werden. Eigentlich als Jugendbuch deklariert, ist es aber auch für Erwachsene eine absolute Empfehlung! Es bietet Gedankenanstöße und Diskussionsgrundlage.


Wir empfehlen auch „Alle Farben des Lebens“, ein von Lisa Aisato kongenial illustriertes Buch, gefühlvoll, poetisch, zum schönsten Wegdenken in einer Zeit wie der diesen.


Und wir empfehlen auch Ursula März’ „Tante Martl“, weil’s einfach um Menschen geht, um Beziehungen, um Prägung, um das Miteinander und das Füreinander. Kurzweg es geht um die gesamte Bandbreite menschlicher Beziehungen, so unfassbar schön in Sprache gebracht. März schreibt die Geschichte einer Nichte und ihrer spleenigen Tante, die schon früh so ätzend geprägt wurde; März betrachtet aus der Distanz, so achtsam, so berührend.


Buchhandlung vs. Amazon – eine Diskussion, die schon lange anhält, wo das letzte Wort schon so oft gesprochen wurde und die Buchhandlungen trotzdem noch bestehen. Aber sie werden immer weniger, kämpfen immer mehr – nicht nur die kleinen, Inhabergeführten, nein, auch die großen Ketten. Wie steht ihr zu der Thematik? Schreibt mir eure Meinung gerne hier oder auf Instagram!

Mein herzlicher Dank geht auch an den Thalia Neubrandenburg für eure Unterstützung bei diesem Beitrag. Ich bin mir sicher, es wird nicht der letzte gewesen sein!



Quellen: [1]“Brauchen wir Amazon?“ (ZEITonline, 07/2014)
[2]: „Amazon setzt beim Einkauf andere Prioritäten“ (Börsenblatt, 03/2020)
[3]: „Wie Amazon ein Kulturgut bedroht“ (Cicero, 10/2014)

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