Hercules das Musical: Chaosgötter und Disney-Stimmen

Hercules das Musical

Es war eine Disney-Welturaufführung in Hamburg – obwohl der gleichnamige Film laut Umfragen einer der unbeliebtesten aus dem Hause Disney ist. Konnte mich die Show mit Musik von Star-Komponisten Alan Menken und David Zippel trotz all der schlechten Kritiken im Vorfeld überzeugen? Und was kann der neu besetzte Philipp Büttner als Titelheld Hercules?

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Die Show hatte es von Anfang an nicht leicht

Zugegeben, die Show hatte es bei mir von Anfang an nicht leicht. Nach “Tarzan” und “Frozen” hat es das kein Disney-Musical. Ja, die Produktionen haben stets eine hohe Effekte-Range, sind meistens Entertainment pur und man kann sich dank der schönen Musik wegträumen – inhaltlich lassen sie aber allzu oft zu wünschen übrig. Hercules reiht sich da leider problemlos ein und konnte nicht mal mit einem besonders pompösen Bühnenbild punkten. Und: viele Teile der Show sind sowohl akustisch als auch phonetisch komplett unverständlich.

Musical Hercules Rezension
© Stage Entertainment

Das fällt gleich zu Beginn auf, wo die Musen – als gospelähnliche Girlgroup toll performt von Leslie Beehann, Chasity Crisp, Veolia Manale, Jessica Reese und Bathonie Buenorkur – die Bühne betreten. Sie sehen fantastisch aus, sie riffen gottgleich (haha) und hätten sicher viel zu sagen. Wären sie im Ton nicht völlig schrill und übersteuert. Konstant. Schade! Das zieht sich leider auch in vielen Ensemble-Nummern durch, die phonetisch zudem … spannend bis unverständlich sind. Ich habe einfach den Anspruch, ein deutschsprachiges Stück sprachlich zu verstehen, ist das zu viel verlangt? Die Show plätschert dann so vor sich hin, fällt inhaltlich an zu vielen Stellen ab, macht in den Choreografien Spaß, ist grundsätzlich aber oft sehr chaotisch.

Das Überraschungsmoment und Steueranspielungen

Das gewohnte Überraschungsmoment mit spektakulären Nummern, brillianten Bühneneffekten und „Wie haben sie das gemacht”-Fragen existiert einfach nicht, stattdessen wird viel auf eine LED-Wand projiziert oder zwischen ein paar Säulen mit Drehbühne gespielt. Die Show ist im Bühnenbild ungefähr so innovativ wie die 25 Jahre ältere Show “König der Löwen” mit einer Prise recyceltem “Tanz der Vampire” (die Gruft, Freunde!) und “Aladdin”-Flair. Hier habe ich von einer Uraufführung aus dem Jahr 2024 deutlich mehr erwartet. 

Und das gilt auch für Dialoge und Plotholes. Ja, die Filmvorlage ist sicher kein Meisterwerk, aber auch andere Shows haben es geschafft, die meist komprimierte Geschichte zu etwas mehr Tiefgang zu strecken. Hier gibt es einen Hades mit Mutterkomplex, halbherzige Puppet-Monster, ein paar wannabe-witzige Steueranspielungen und zu viele Fragen. Was haben sich die Autoren dabei gedacht? 

 

Hercules Hamburg
© Stage Entertainment

Lichtblicke und gute Laune

Doch es gibt sie auch, die Lichtblicke. Detlef Leistenschneider als Hades, zum Beispiel. Zuletzt habe ich ihn in “Das Wunder von Bern” gesehen, inzwischen brilliert er als zynisch-charismatischer Bösewicht. Er ist die perfekte Mischung aus Drag, liebevoller Schurke und gemeiner Antagonist. Ganz großes Kino. An seiner Seite Mario Saccoccio und André Haedicke an diesem Abend als Karl und Heinz. Die stumpfsinnigen Sidekicks, die man nach zwei Minuten einfach mögen muss. Nicht neu bei Disney, aber immer wieder schön. Genau wie die Performance von John Vooijs als Phil – der kann was, macht Laune!

 

Und dann sind da noch Mae Ann Jorolan und Philipp Büttner. Als Meg und Hercules nehmen sie die Bühne in jedem Moment ein, wo sie sie betreten. Jorolan spielt taff, furchtlos und mit dem richtigen Gefühl für Pointen und die Comedy, die man an zu vielen Stellen sucht und die sie mühelos herauskitzelt. Sie formt ihre Meg damit zu einer der wenigen Disney-Heldinnen, die als Parodie auf die gerettete Prinzessin wunderbar funktionieren. Und Büttner. Immer wieder Büttner. Als Aladdin überzeugend, als Robin Hood eine Freude, jetzt wieder in der Rolle eines Disney-Helden. Und verdammt, diese Musik liegt ihm so gut, seine Stimme passt so klar und perfekt auf die Melodien. Mit “Endlich angekommen” rührte er mich zu Tränen und sorgte für meinen einzigen Gänsehautmoment an diesem Abend. What! A! Beast! Seine Performance rettet so viel, man muss ihn dafür lieben. 

Phillip Büttner ist Hercules
© Sarah Lippasson

Würde ich die Show empfehlen? Wenn man in Hamburg ist und nur ein Musical sehen kann – nein. Definitiv nicht. Als Fan von Disney, wenn man öfter mal in ein Musical geht – warum nicht. Ihr werdet einen guten Abend haben, wenn ihr nicht zu viel über alles nachdenkt. Man kann das schon machen. Einmal. 

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