Aufführungsdauer: 2.15 Stunden inklusive Pause
Altersempfehlung der Komischen Oper: 5+ (ich finde eher: 7+, es ist stellenweise doch ziemlich gruselig)
Platzempfehlung: Reihe 3 Platz 14
Komische Oper, Berlin
Auf Empfehlung sah ich die Kinderoper “Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer” in der Komischen Oper Berlin. Nicht meine erste Bühneninszenierung des Kinderbuchklassikers von Michael Ende, aber sicher die anspruchsvollste und schönste.
In etwas mehr als zwei Stunden (inkl. Pause nach 55 Minuten) wird die Geschichte der kleinen Insel Lummerland und vor allem von Jim Knopf und seinem väterlichen Freund Lukas erzählt. Nach dem Gebot des Königs Alfons dem Viertel-vor-Zwölften, die Insel sei zu klein für all ihre Bewohner, brechen Lukas und Jim mit der Lokomotive Emma auf in die weite Welt. Sie reisen ins entfernte Mandala, treffen den Scheinriesen Tur Tur, den Drachen Nepomuk und retten die Prinzessin Li Si und viele andere Kinder vor dem gefährlichen Drachen Frau Mahlzahn.
Eins wird unmittelbar klar: Die Inszenierung von Christian von Götz ist wirklich für Kinder gemacht und er hat verstanden, welche Hebel (oder eher: welche Lokomotive?) er dafür in Bewegung setzen muss. Gemeinsam mit Lukas Noll, der sich für Bühnenbild und Video verantwortlich zeichnet, hat er ein Gesamtwerk geschaffen, das nicht nur Kinder absolut begeistern wird. Besonders schön zu sehen: die Kleinsten werden nicht unterschätzt. Die Inszenierung ist für eine Oper extrem schnell, modern und wirklich groß – seien es die aufwendige Drehbühne, die Schienen, auf denen Emma durch die Gegend saust oder die vielen Darsteller:innen, die das Stück mit Leben füllen.
Allen voran Georgina Melville, die wirklich bestechend gut gelaunt spielt und mit ihrer Begeisterung sofort ansteckt. Als Sopranistin sorgt sie in der Rolle des Jim Knopf sicher für die eine oder andere Überraschung und überzeugte vor allem im Zusammenspiel und Gesang mit Lukas alias Carsten Sabrowski. Als Li Si und Ping Pong spielten Julia Domke und Paula Rummel. Gesanglich stark, mir jedoch von beiden manchmal etwas zu übertrieben gespielt. Das ist aber vermutlich der Abzug, den man in einer Kinderoper, einer komischen noch dazu, gerne macht. Die weiteren Rollen wurden von vier weiteren Darsteller:innen übernommen: Nikita Voronchenko als vergesslicher Alfons, bestimmender Oberbonze Pi Pa Po und niedlicher Drache Nepomuk. Caren van Oijen als liebevolle Frau Waas, vor allem aber als wunderbar fieser und grässlicher Drache Frau Mahlzahn. Hier hat das Kostümbild von Alfred Mayerhof wirklich beeindruckende Arbeit geleistet! Außerdem Christoph Späth und Johannes Dunz als kauzige Geier in knallpinker Strumpfhose, die sogar in der Pause die Kinder mit Späßen beeindruckten.
Was gleich auffällt: Trotz internationaler Besetzung und vieler hoher Töne ist die Phonetik nie ein Problem. Gut so!
Unter der Leitung von Christoph Breidler spielte das große Orchester der Komischen Oper und überraschte mit dem einen oder anderen außergewöhnlichen Instrument und spannenden Klängen. Als gefangene Kinder unterstütze der Kinderchor der Komischen Oper – einfach süß!
Weitestgehend unproblematisch bleibt in dieser Inszenierung glücklicherweise der Umgang mit fremden Kulturen im Allgemeinen sowie Rassismus-Fragen und Ostasiatischen-Klischeedarstellungen im Speziellen. Hier und da hätten es in Mandala ein Schrei, ein befremdlich klingender Laut oder eine übertriebene Geste weniger sein dürfen. Ob die Kinder im Sinne der Geschichte tatsächlich indigen-angelehnte Kostüme tragen müssten, bleibt fraglich. Es geht aber weitaus schlimmer und wirkt generell doch sehr reflektiert.
“Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer” ist für mich eine richtig gute Kindheitserinenerung und genau die schafft auch diese Kinderoper. Bei diesem bunten Bühnenbild und dem tollen Ensemble haben nicht nur Kinder was zu gucken, nein, auch Erwachsene werden an dieser Inszenierung große Freude haben!