»Wir sollten Musical out of the box denken!« Interview mit Musicaldarsteller Silvio Römer

Der erste Castwechsel ist gerade vorbei, da besuche ich eine weitere Show von Ku’Damm 56 im Theater des Westens. Dieses Mal mit einem neuen Freddy. Silvio Römer spielt die tiefgründige Rolle des freiheitsliebenden Rock ’n’ Roll-Sängers, Frauenverstehers und engsten Freundes von Monika. Zugegeben: Ich als David-Jakobs-Fan bin extrem skeptisch. Silvio interpretiert die Rolle anders – aktiver, etwas frecher, etwas jünger – ich mag diesen Freddy und beschließe, dass ich auf jeden Fall mit ihm darüber sprechen möchte. Wir treffen uns einige Wochen später, kurz vor meiner inzwischen siebten Show, in der Bar des Motel One, direkt neben dem Theater des Westens. Bei einem Latte Macchiato und einer Cola kommen wir schnell ins Gespräch. Über Ku’Damm 56, über den ewigen Fluch der Zweitbesetzungen und Freiheiten auf der Bühne.  Eines ist sofort klar: Wir nehmen im Gespräch kein Blatt vor den Mund. Meine Fragen sind ehrlich, seine Antworten sind es auch. Das hat uns währenddessen großen Spaß gemacht und auch das Ergebnis kann sich sehen lassen. (Auch, wenn einige Antworten vielleicht doch etwas zu ehrlich waren und später der Korrektur zum Opfer gefallen sind.) Aber lest selbst …

Anmerkung: Ich habe inzwischen ein zweites Interview mit Silvio geführt. Dieses findet ihr hier.

“Freddy ist bei mir etwas cooler und unnahbarer.”

Du hast gesagt, dass du aus jedem Stück, das zu spielst, eine Erfahrung mitnimmst. Welche ist das für Freddy?

Das Gute an der Tatsache, dass ich die Zweitbesetzung bin, ist, dass es mir einen besseren Gesamtüberblick gibt, wie ich die Rolle spielen muss. Erstens, wie Freddy von außen betrachtet werden muss und auch aus meiner zweiten Rolle als Rudi. Was ich mitnehme, ist die große Überschrift von Ku’Damm 56, dass jeder ein Päckchen zu tragen hat, auch wenn es nicht immer direkt erkennbar ist. Man kann das Buch nicht immer nach dem Einband beurteilen, das ist zwar schon ein Lebensmotto von mir, aber sich daran zu erinnern, ist mir wichtig.

Du und Freddy, ihr habt viel gemeinsam, kann das sein?

Ja, auf jeden Fall. Was Freddy und ich zum Beispiel gemeinsam haben, ist die Art, wie er Sachen gerne überspielt. Es kommt immer ein bisschen darauf an, wer ihn spielt, aber es ist meine Art, ihn etwas cooler und unnahbarer zu spielen. Harte Schale. Aber man weiß ja, dass darin viel abgeht.

Ich habe dich direkt nach dem Castwechsel gesehen und fand dich im Vergleich sehr aktiv, sehr ins Außen orientiert.

Das war schon immer ein Steckenpferd von mir, dieses energetische Auftreten. Es gibt auch Figuren, wo das manchmal zu viel ist. Zum Beispiel habe ich in AIDA Mereb [den Diener des ägyptischen Heeresführers Ramades, Anm. d. Red.] gespielt. Und auch wenn er an sich ein sehr energetischer Charakter ist, ist es nicht angebracht, das so zu spielen, wie ich es gemacht habe. Weil er ja auch unter vielen Einflüssen von oben steht. Im Probenprozess führte es dann zum Gespräch, dass ich schauen muss, dass die Energie stimmt, aber ich nicht so extrovertiert sein kann.

Silvio Römer wurde 1988 in Oschatz geboren, absolvierte zunächst eine Ausbildung als Hotelfachmann und war in der Hotelanimation tätig, bevor er 2012 seine Ausbildung zum Musicaldarsteller an der Stage School Hamburg begann und 2015 abschloss. Seitdem spielte er unter anderem in HAIR (2017), FACK JU GÖHTE (2018) oder ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK (2020). Aktuell steht er er in KU DAMM 56 als Rudi und Cover Freddy auf der Bühne, bevor er bald mit den Proben zur Tour von FACK JU GÖHTE beginnt, wo er ab Februar die Hauptrolle des Zeki Müller übernimmt.

“Und dann habe ich die Ausschreibung gelesen und mich null mit dem Stück identifiziert.”

Hast du “Ku’Damm 56” vor deiner eigenen Bewerbung gesehen?

Ja. Ich hatte die große Ehre, dass ich zur Premiere eingeladen wurde. Ich wusste lange bevor das Stück kam, dass es einen Workshop gibt. [Die Show wurde in einem dreiwöchigen Workshop mit Musicaldarsteller:innen vor-inszeniert und vor einem Testpublikum ausprobiert, das war lange vor der heutigen Inszenierung. Anm. d. Red.] Ich sollte da auch dabei sein, konnte aber nicht. Das war sehr schade, weil die groben Infos – Rock ’n’ Roll und Berlin der 50er-Jahre – klangen sehr cool. Und dann habe ich die Ausschreibung gelesen und habe mich null mit dem Stück identifiziert.

Wieso nicht?

Das ist leider oft, nicht immer, der Fehler unserer Branche. Oft sind die Charaktere so spezifisch beschrieben, dass man sich denkt: “Da passe ich im Leben nicht drauf.” Es gibt aber Figuren, auf die ich Lust habe und da weiß ich, dass ich passe. Ich muss dann die Rolle nicht 1:1 erfüllen, aber ich muss im Stande sein, mich darin zu erkennen.

Als ich die Show dann sah, habe ich sie als sehr erfrischend empfunden, als extrem gutes Musical aus deutscher Feder. Die Ehrlichkeit und die Musik waren dabei meine größten Argumente. Zudem kenne ich Peter Plate und Ulf Leo Sommer [Die Komponisten des Stücks. Anm. d. Red] durch die “Bibi und Tina”-Tour, die sind wie Familie.

Nicht zu vergessen Regisseur Christoph Drewitz!

(Lacht) Haha, ja, von Christoph fangen wir gar nicht erst an, der nimmt mich eh immer mit. Ich habe die Premiere für gut erachtet, aber nicht weiter darüber nachgedacht. Und dann hat mich Christoph angerufen und meinte, er glaube, dass ich für Freddy total in Frage kommen würde. Er hat aber auch mit offenen Karten gespielt und gesagt, dass es keine Erstbesetzung wird, weil sie da schon jemanden haben. Ich konnte es mir vorstellen und als ich mit dem Material gearbeitet habe, hat es sich auch gut angefühlt. Man muss aber auch dazu sagen, dass die Freddys es ja auch alle komplett anders spielen. Ich glaube, ich habe noch nie so unterschiedliche Versionen derselben Rolle gesehen wie bei uns.

Inwiefern?

Freddy ist nicht so sehr in Stein gemeißelt. Jeder geht mit der extrovertierten Art anders um. Im Probenprozess hatte ich zwei Show-Watches mit Nico [Nico Went, Swing und Cover Freddy bei Ku’Damm 56. Anm. d. Red.] und habe auch David [David Jakobs, ehemaliger Freddy-Darsteller. Anm. d. Red.] gesehen. Natürlich auch unzählige Shows mit Pedro [Pedro Reichert, Erstbesetzung Freddy. Anm. d. Red.] Und deshalb konnte ich es mir dann auch vorstellen. Man erkennt viele gute Momente, die jemand spielt, und kann auch für die eigene Interpretation viel mitnehmen.

“Ich glaube, ich kann genauso gut eine Erstbesetzung ausfüllen – von Anfang an.”

Du sagtest eben, dass es die Erstbesetzung für Freddy schon gab. Bei “Fack ju Göhte” hast du den alternierenden Zeki Müller gespielt, bei der “Bibi und Tina”-Tour standest du als Cover diverser Figuren auf der Bühne. Ist es für dich ein Problem, dass du bisher nur Zweitbesetzungen gespielt hast? Oder ist es eine Chance, weil – überspitzt –  keine:r damit rechnet, dass die Zweitbesetzung gut ist?

Ich hatte die Vorahnung, dass bei diesem Interview so eine ehrliche Frage von dir auftaucht (lacht). Und das trifft sich gut, weil ich gerade in so einem Umschwung bin. Als ich damals mit der Ausbildung fertig war, bin ich mit einer 13er-Swing-Position bei “Rocky” durchgestartet. [13er-Swing bedeutet, dass Silvio als Swing für 13 verschiedene Rollen spontan eingesetzt werden konnte. Anm. d. Red.] Für mich war das das Nonplusultra. Ich brauche diese Abwechslung und jeden Tag einen frischen Kopf. Es kann schon passieren, dass dir in einer Ensuite-Produktion [Show, die acht Mal pro Woche gespielt wird. Anm. d. Red.] irgendwann langweilig wird. Wir singen, spielen und sagen jeden Tag exakt das Gleiche. Das kann auf Dauer an die mentale Substanz gehen. Deshalb habe ich mich immer als Multi-Cover und Swing in dieser Welt präsentiert. Aber ich glaube, dass ich aufgrund der Resonanz der letzten Stücke meine Positionierung ändern möchte. Ich sage nicht, dass ich Cover und Ensemble ausschließe, aber ich werde mich mehr auf Erstbesetzungen und Rollen fokussieren. Ob das große Rollen sind, ist dabei zweitrangig.

Silvio als Zeki Müller in FACK JU GÖHTE

Woher kommt diese Entwicklung?

Wenn du dich in Rollen profilieren willst, musst du in deiner Vita Rollen stehen haben. Und wenn du das nicht hast, kommst du nicht für Erstbesetzungen ins Gespräch. Anfangs war das okay, weil ich trotzdem die Chance hatte vorzusprechen und Rollen bekommen habe. Aber ich glaube, ich kann genauso gut eine Erstbesetzung ausfüllen – von Anfang an.

“Nach zwei Wochen kam sie dann und meinte: ‘Du bist hier absolut fehl am Platz.’”

Du hast 2015 deine Ausbildung beendet und warst vorher lange in der Hotelbranche unterwegs. Wie kamst du zum Musical?

Ich habe 2012 meine Ausbildung zum Hotelfachmann abgeschlossen und bin dann zur Animation gegangen. Ich habe lange Showanimation im Ausland gemacht, wo sich die Welten von Musical und Hotellerie treffen. Im Rahmen eines Work-and-Travel-Programms hatten wir immer Tanzlehrer:innen in den Hotels, die dann unter meiner Leitung als Dance-Captain standen. 2012 kam dann eine Musicaldarstellerin und Agentin als Tanzlehrerin zu uns. Sie hat sich alle Shows angeschaut, aber nichts dazu gesagt. Ich hatte total Angst, dass wir alles falsch machen. Nach zwei Wochen kam sie dann und meinte: “Du bist hier absolut fehl am Platz. Du hast zwar keine Ausbildung in der Richtung, aber du hast so eine Bühnenpräsenz, dass du alle in den Schatten stellst.”

Was für ein Kompliment!

Total. Das hat mich auch erst mega überfordert. Sie meinte dann, dass ich das Zeug hätte, damit richtig Geld zu verdienen. Ich hatte aber ein eingeschränktes Bild von Musical. Für mich waren das immer nur Glitzerkostüme und Zylinder à la “A Chorus Line”. Sie hat mir dann Stücke gezeigt und mir von den Workshops der Stage School in Hamburg erzählt und damit alles auf den Weg gebracht.

“Ku’Damm 56” vereint zu sehr gleichen Teilen die drei Sparten Tanz, Gesang und Schauspiel. In welchem Bereich bist du zu Hause?

Dadurch dass ich die Ausbildung so spät gemacht habe, bin ich nicht in einer Sparte Profi. Ich bin kein Tänzer-Tänzer, kein Sänger-Sänger und kein Schauspieler-Schauspieler. Deshalb sage ich immer, dass ich ein guter Allrounder bin, der alles abdecken kann. Nie mit dem Piek zur Professionalität, wie es ein Professioneller der Sparte könnte, aber bei mir macht es die Mischung. Ich bin ausgebildeter Musicaldarsteller ansich.

“Ich bin kein Triple Threat”

Es gibt diesen extravaganten Begriff der dreifachen Bedrohung “Triple Threat”. Also jemand, der alles kann. Das bin ich nicht. Ich weiß, ich kann alles, aber ich bin limitiert. Das ist aber okay, weil es oft gar nicht darauf ankommt, alles auf höchster Ebene abzuliefern. Die Mischung ist da manchmal viel interessanter. Wenn Leute sehen, da singt jemand echt gut, und dann kann er auch noch tanzen und – ja, ey! –  spielen auch. Gerade in Stücken wie “Ku’Damm 56” sind die verletzliche Seite und diese Limitierung nach oben Eigenschaften, die die Show tragen und ausmachen.

Inperfeke Perfektion.

Du sagst es. Klar, wir könnten für “Mutter Brause” die besten Rock-’n’ Roll-Tänzer:innen einladen, die dann über unsere Grundschritte lachen würden. Aber jede:r würde dir sagen, dass bei uns die Energie und der Spaß einfach stimmen.

Die “Mutter Brause” ist ein winziger Szeneschuppen, keine Profischmiede.

Ich wusste schon, dass ich dir die Schokolade nicht umsonst mitgebracht habe. Du hast es verstanden! (Lacht)

Du sagtest vorhin, dass du im Prinzip jeden Tag dasselbe machst – singen, tanzen und schauspielern. Dann ist das Publikum ausschlaggebend, wie dein Abend verläuft?

Die professionelle Antwort ist: Nein.

Okay. Und jetzt die unprofessionelle Antwort.

Ja (lacht). Wenn du ein Publikum hast, das dich trägt und abgeht, ist das natürlich motivierender. Ein gutes Beispiel sind Witze. Wenn du einen Witz bringst und das Publikum lacht, ist die Gefahr schnell, dass du den Witz ausspielst, dich draufsetzt und ihn noch größer machst. Da lassen wir uns gerne mal hinreißen und schaukeln uns hoch. Da müssen wir als Darsteller:innen auch aufpassen. Uns gleitet natürlich nicht das gesamte Stück aus den Händen, aber es hat eben alles einen Sinn und es funktioniert auch ohne dass man sich draufsetzt.

Und das waren jetzt nur die Witze. Das gilt aber für jede Emotion – Wut, Trauer, Freude – da muss man auch versuchen, nicht zu forcieren. Es gibt Leute, die spricht ein gewisses Over-Acting an, andere überhaupt nicht. Insofern bleibe ich bei der professionellen Antwort: Du musst damit rechnen, dass jemand die Show noch nicht gesehen hat, darum gebe ich immer 110 Prozent.

Das heißt nicht, dass ich nicht trotzdem Dinge ausprobiere.

Inwiefern?

Bei Freddy kann man zum Beispiel die extrovertierte Art toll zurücknehmen und die verletzliche, ehrliche Seite in den Vordergrund rücken. Einfach ein bisschen weniger oberdicker Macker sein – energetisch gesprochen (lacht). Zum Beispiel habe ich bei Pedro Dinge gesehen, wo ich nicht erwarten kann, das mal auszuprobieren. Das habe ich aber erst später erkannt, weil ich da etwas länger gebraucht habe, bestimmte Emotionen zu finden.

“Einfach ein bisschen weniger oberdicker Macker sein – energetisch gesprochen”

Was muss passieren, um dich als Publikum auf 180 zu bringen?

Das Ding ist: Als Silvio bringt man mich kaum auf 180. Auf der Bühne schon gar nicht. Klar, Leute, die labern, filmen und mit Blitz fotografieren, stören die Konzentration. Aber ich glaube, ich bin professionell genug, um mich in solchen Situationen noch mehr zu fokussieren. Manchmal versuchen auch Kolleg:innen, mich rauszubringen – zum Beispiel mit Challenges.

Erzähl mir alles! Gebt ihr dann mal eine andere Antwort als erwartet?

Insbesondere unter der Feder von Annette Hess ist es wichtig, dass Texte nicht verändert werden. Das wurde mir bei fast keiner Produktion so sehr ans Herz gelegt wie hier. Einfach, weil es sonst nicht so gut funktioniert. Wenn da ein Fehler passiert, ist es in aller Regel ein Versehen. Bei “Fack ju Göhte” habe ich mir da mehr Freiheiten genommen – auch wenn das nicht immer gern gesehen wurde. Aber bei dieser Show war das von vornherein klar: Der Text ist der goldene Leitfaden.

Die Challenges sind dann eher die Dinge, die in Körperhaltungen entstehen oder wenn die Mikros auf der Bühne aus sind und du gezwungen bist, jemandem im Freeze still gegenüber zu stehen. Da passiert dann was im Gesicht und es wird versucht, die Kolleg:innen aus der Fassung zu bringen.

Wenn du gut hinschaust, siehst du auch mal einen privaten Moment – die wir offiziell natürlich niemals haben (lacht). Dadurch bleiben wir wach. Und wenn wir so schweren Tobak erzählen, müssen wir auch einfach bei Laune bleiben. Aber selbst meine Kolleg:innen schaffen es kaum, mich aus der Rolle zu kriegen. Die schaffen es einfach nicht, weil ich da einfach … zu cool bin.

Okay. Schreib ich genau so ins Interview und dann ist das die offizielle Aufforderung an deine Kolleg:innen, es bitte zu schaffen.

Nur zu, gerne. Ich freue mich, wenn es mir mal passiert. Aber meistens bringe ich die anderen raus. Insofern: Challenge accepted.

“Musical ist kein Luxusprodukt”

Kannst du schon etwas zu der Zeit nach September verraten? Also konkret: Bleibst du dem Ku’Damm treu?

Yes! Ich bleibe noch ein bisschen, ich werde noch ein paar Wochen verlängern. Das genaue Datum ist noch nicht klar, ich bleibe aber nicht bis Februar 2023.

Und danach? Wie steht’s zum Beispiel mit der Tour von “Fack ju Göhte”? [Die Antwort auf diese Frage wurde im Nachhinein korrigiert und angepasst, da Silvio kurz danach sein Engagement für „Fack ju Göhte“ offiziell bekanntgeben durfte. Anm. d. Red.]

Ich habe es bereits gesagt, dass ich gerne mehr First Cast spielen möchte, und bei „Fack ju Göhte“ fange ich direkt damit an. Ich habe kürzlich bei Instagram bekanntgegeben, dass ich die Erstbesetzung von Zeki Müller übernehmen werde. Allerdings spiele ich nicht die ganze Tour, sondern bin auch bei der neuen “Bibi & Tina”-Tour dabei. Da ich mich in der Cast und der Arbeit sehr wertgeschätzt fühle und da einen großen Mehrwert bringen kann, möchte ich das unbedingt auch machen. Gerade diese Wertschätzung geht manchmal in der Branche unter, deshalb haben die einen großen Stein im Brett.

Meine Spieltermine für beide Touren gebe ich dann bei Instagram bekannt.

Aber sag mal, “Fack ju Göhte” hast du gesehen, oder?

Leider nicht! Die neun Monate Spielzeit waren einfach zu kurz und zu schnell vorbei. Ich habe es nicht nach München geschafft und freue mich deshalb umso mehr, dass es diesmal eine Tour ist.

Dann solltest du unbedingt hin! Und wenn es für dich ein Aspekt ist: Jonathan [Jonathan Huor, Choreograf von Ku’Damm 56. Anm. d. Red.] macht die Choreos. Bei “Ku’Damm 56” habe ich ihn leider nie kennengelernt, da habe ich alles vom Dance Captain gelernt, aber jetzt hatte ich in einem Workshop endlich die Möglichkeit, ihn kennenzulernen. Er ist grandios und arbeitet so toll.

Workshop zu …?

“Romeo und Julia”! Das kommt ja demnächst.

Eine letzte Frage. Du darfst der Musicalwelt – Castern, Produzent:innen, Darsteller:innen. Publikum – eine Botschaft mitgeben. Welche ist es?

Uiii. Uff. Okay. Hm. Das ist nicht die Botschaft! (Lacht)

Ich glaube, wir sollten darauf achten, dass diese Kunstform wieder an Wert gewinnt. Ich habe das Gefühl, dass die Schere in den letzten Jahren etwas nach unten ging. Im Sinne des Anspruchs der Produktion, der Bezahlung, der Zuschauerzahlen. Für große Unternehmen steht Profit im Vordergrund, aber die Gagen werden nicht angepasst. Es sollte eine Symbiose zwischen Geben und Nehmen geben – mehr Musicals produzieren, moderne und zeitgemäße Stücke wagen, extreme Themen zeigen. Die Schreib:maschine [Theaterprojekt, bei dem Komponisten, Autoren und Künstler die Möglichkeit bekommen, ihre eigenen Stücke aufzuführen. Anm. d. Red.]  hat da schon gute Ansätze. Man sollte auch versuchen, jungen Menschen die Chance zu geben, in hochwertige Stücke zu gehen. Junge Menschen sind die Gesellschaft von morgen und die Darsteller:innen von morgen. Und am Ende ist es Kunst und Kultur.

Ich glaube, wir alle machen den Job nicht, um reich zu werden. Aber wir haben immer wieder Zeiten, in denen wir auf den Staat angewiesen sind. Und wenn die Gagen dann so minimalistisch sind, dass du anfängst nachzudenken, ob du diesen Job wirklich machen kannst, dann läuft etwas falsch. Und wenn die Ticketpreise so krass sind, dass deine eigene Familie es sich nicht leisten kann, mit fünf Leuten in die Show zu kommen, dann geht das einfach nicht.

Und man sollte mal wieder Stücke in die Theater holen, die ihren Wert damals schon bewiesen haben. “Les Misérables” statt zum zweihundertsten Mal “Tanz der Vampire” oder “Mamma Mia” – ohne diese Stücke oder die Kolleg:innen anzugreifen. Aber das konnte man sich die letzten zehn Jahre angucken. Ich möchte Off-Broadway sehen, Off-Shows generell. “In the Heights” ist grandios. Einfach mal out of the box denken.

Schafft die Möglichkeit, jungen Leuten, oder Leute, die einfach nicht bereit sind, hunderte Euros zu bezahlen, trotzdem in eine Show zu bekommen. Musical ist kein Luxusprodukt.

Word! Ich danke dir für dieses coole Interview, das hat richtig Spaß gemacht.

Kann ich nur zurückgeben. Du bist eine coole Interviewerin, du bist nicht so … stiff.

Haha, DAS schreib ich noch rein!

An dieser Stelle möchte ich mich für dieses wirklich spannende, persönliche und schöne Interview mit Silvio bedanken. Ich hatte wirklich viel Spaß dabei und freue mich, ihn hoffentlich bald als Zeki Müller in FACK JU GÖHTE auf der Bühne zu sehen.

Wenn ihr auch Lust bekommen habt, euch Ku’Damm 56 anzusehen, dann habt ihr noch bis zum 19.02.2022 Gelegenheit dazu. 

https://www.youtube.com/watch?v=4T8zsu9jxtw
Szeneneinblicke zum Hit „Berlin, Berlin“ (gesungen von David Jakobs)

Bilder:
©@kudamm56_fan (Szenenbilder)
© @silvio.roemer

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