Deutsches Haus [Annette Hess]

deutsches haus serie rezension

“Lernen Sie alle denkbaren Wörter dafür, wie man Menschen töten kann”, hört die
Übersetzerin Eva Bruhns, als sie 1963 den ersten Frankfurter Auschwitzprozess dolmetscht.
Es ist die wahre Geschichte des Staatsanwalts Fritz Bauer gegen zweiundzwanzig SS-Männer. Aber auch die einer jungen Nachkriegsgeneration und der Frage, was die eigenen Eltern eigentlich im Krieg gemacht haben.

Die Geschichte und die Namen der Figuren sind fiktiv, der Prozess nicht. Dokumentarisch werden die Anklageschriften verlesen, Drehbuchautorin Annette Hess schreibt die originalen Tonbänder auf und Schweigeminuten in die fünfteilige Serie. Die Stimmung bewegt sich irgendwo zwischen dem Gasthof “Deutsches Haus” und dessen piefiger, dadurch fast humoristischer Gemütlichkeit und der kollektiven Verdrängung einer Generation. Das ist spannend, bewegend und so völlig anders als das, was man sonst in deutschen Serien sieht. Auch schauspielerisch. Da sind Katharina Stark in der Rolle der Eva Bruhns, Anke Engelke und Hans-Jochen Wagner als ihre Eltern, die große Schwester Annegret alias Riccarda Seifried. Als Staatsanwalt überzeugt Max von der Groeben, in der Verteidigung brilliert unangefochten Sabin Tambrea. Noch spannender: die kleineren Rollen. Iris Berben (!) Henry Hübchen, Heiner Lauterbach, Alice Dwyer, Thomas Prenn. Muss ich mehr sagen? Sie alle spielen vom Krieg gezeichnete und so bezeichnende Figuren. Für die Zeit und die Autorin – moderne Charaktere, kontroverse Antihelden und die Figuren, die man mögen möchte, weil sie so stark sind, aber nicht so richtig mögen kann, weil man ihre Schwächen gesehen hat.

Und dann musst du plötzlich weinen, weil das alles echt und furchtbar ist und weil viele nicht wissen, was ihre Eltern im Krieg machten. Und weil das alles wieder und immer noch und überall genau so ist und es so viele Kinder gibt, die sich irgendwann fragen müssen, warum ihre Eltern keine Helden, sondern nur feige waren. Und die sich fragen, ob sie fragen sollen und dürfen und ob sie die Wahrheit verkraften können und damit weiterleben. Der Spiegel sagte es, ich schließe mich an: Annette Hess ist Deutschlands beste Drebuchautorin. Wenn ihr nur noch eine Serie guckt – diese!

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