#Krimikreuzverhör mit Bernd Blaschke & Maximilian Ferreira Cress: »Faschisten und Rassisten bleiben die gleichen, auch wenn sie Kreide fressen.«

Das Patriarchat, die Macht und problematische Strukturen bei der Polizei

Maximilian Ferreira Cress und Bernd Blaschke geben gerade ein Interview zu ihrem Politthriller-Debüt »Um jeden Preis«, als ich sie auf der Frankfurter Buchmesse entdecke. Sie erzählen von rechtsextremen Netzwerken, einer Journalistin, die durch Zufall bei einer Recherche auf korrupte Machenschaften stößt und den Einfluss des Geldadels auf die Kolonialisierung. Ich kaufe das Buch sofort und beende es noch in derselben Woche. Dann empfehle ich es Martin Krist, der es ebenso gerne liest.

Besonders gefreut hat es uns, dass Bernd und Max einem Interview zu ihrer Geschichte sofort zusagen und sogar mitmachen, als Martin kurzfristig krank wird. Dabei ging es um die Reproduktion von rechtsextremer Sprache,  problematische Strukturen bei der Polizei, wieso Protagonistinnen für ihren Roman dramaturgisch Sinn ergeben haben und warum das Patriarchat die Macht wirklich um jeden Preis verteidigen wird.

Garry Disher

Übrigens

Dieses #KrimiKreuzverhör habe ich zusammen mit Martin Krist geführt. Auszüge des Gesprächs mit Bernd und Maximilian findet ihr in den »Bösen Briefen«, seinem monatlich erscheinenden Krimi-Newsletter. Lest dort für zahlreiche weitere Interviews, Einblicke in seine Autorenwerkstatt, exklusive Buchbesprechungen und vieles mehr unbedingt vorbei!

»In einem Roman investiert man mehr Zeit, um über ein Thema nachzudenken«

Ihr habt auf der Frankfurter Buchmesse im Interview gesagt: »Wir können uns über die rechtsextremen Strukturen bei der Polizei nicht erschrecken, wenn wir in der Berichterstattung immer wieder vergessen, dass es sie gibt.«

War das der Anreiz, eine Geschichte wie »Um jeden Preis« zu erzählen? 

Maximilian: Ja und Nein. Sicherlich sind die Gesellschaftsstrukturen, die dahinter stehen, ein wiederkehrendes Thema, das uns beide sehr interessiert. Aber es geht im Buch ja um mehr als rechtsextreme Strukturen bei der Polizei. Wir haben gemerkt, dass ganz viele Dinge in der Welt passieren, die wir als Autoren natürlich auch wahrnehmen. Und dann kommt die nächste Katastrophe, das nächste Großereignis und man hat es wieder vergessen und wundert sich beim nächsten Mal abermals, anstatt konsequent darüber nachzudenken, was dahinter liegt. Und wir dachten, wenn man daraus einen Roman macht, investiert man mehr Zeit, um darüber nachzudenken. Dadurch, dass man mit zwei Hauptfiguren mitgeht, entwickelt man auch eine emotionale Beziehung zu den Geschehnissen, das war uns wichtig. 

Was war die Initialzündung zum Buch? 

Bernd: Wir haben bei politischen Dingen immer angefangen zu diskutieren und uns überlegt, warum man so schnell vergisst. Und ein Anreiz war, dass wir eine Geschichte erzählen, die aus einer Perspektive geschrieben ist, wo die Leser:innen nie sicher sein können, was die Wahrheit ist – ob man einer Verschwörung aufsitzt, Gespenster sieht oder ein Funken Wahrheit drin ist. In unserer Gesellschaft tendieren wir häufig dazu abzuschalten und es zur Seite zu schieben, weil es zu kompliziert ist. Und dann ist man zwei, drei Monate später wieder schockiert, weil etwas Ähnliches passiert. 

Maximilian: In diesem Fall gab es gar nicht die Initialzündung. Es hat sich im Laufe der Zusammenarbeit immer mehr ergeben, was die zentralen Angriffspunkte sind. Zum Beispiel wurden wir oft gefragt, warum es in Hamburg spielt. Es hätte vielleicht auch in Nürnberg spielen können, wären wir auf die Rüstungsindustrie gegangen. Aber uns war es wichtig zu zeigen, dass unsere gesellschaftlichen Strukturen zum Teil so lange existieren, dass diese auch rechtsextreme Strukturen fördern. Da war die Reederei als schöner und prächtiger Betrieb, der die Welt verbindet, perfekt und hat viele Ideen aus unserem Kopf zusammengebracht. Und am Ende wollten wir auch die Komplexität verschiedener Strukturen spannend darstellen. 

In euren Lesungen bei Instagram trägst du, Maximilian, ein Shirt: »Everything is politics.« – Das Motto eures Thrillers? 

Maximilian: Motto des Lebens (lacht). Zweierlei: Das ist eine brasilianische Marke, die sich für den Erhalt des Regenwaldes einsetzt. Damit sind sie nicht Teil der großen Industrien, was auch eine politische Aussage ist, die sich in dem Fall aber eher auf den Schutz indigener Menschen bezieht.
Andererseits wird in Österreich gerade ein rechtsradikaler Bundeskanzler und wir ducken uns immer noch weg und hoffen, dass alles gut wird. Demokratie lebt davon, dass wir alle politisch sind. Und wenn wir wegschauen, ist das auch eine politische Aussage. 

Bernd: Also ich besitze dieses T-Shirt nicht, aber ich unterschreibe die Aussage total und denke, dass wir da im Alltag auch mehr aware sein müssen. Egal, ob wir ins Theater gehen, ein Buch lesen oder im Park spazieren – alles ist politisch und wir können uns davon nicht trennen. 

Maximilian: Und vielleicht ist es auch ein Aufruf an die Talkshows, die dazu tendieren, nur noch Berufspolitiker:innen einzuladen. Früher saßen da auch ein Habermas, ein Grass, und heute nur noch Menschen, die parteipolitische Kämpfe ausfechten. Die einzige Schriftstellerin, die ich zur Zeit noch sehe, ist Juli Zeh. Ich denke, dass Menschen, die nicht Politik machen, aber die ganze Zeit über Gesellschaft und Strukturen nachdenken, in dieser öffentlichen Debatte wichtig wären. 

© Leopold Fiala

Bernd Blaschke & Maximilian Ferreira Cress

sind die Autoren des Politthriller-Debüts „Um jeden Preis“. Maximilian Ferreira Cress studierte Psycholinguistik und arbeitet als Autor und Journalist. Das wiederkehrende Thema seiner Arbeiten sind Strukturen, wie die Beschaffenheit der Polizei in Deutschland, dem Kosovo als von außen erzwungenem Staat oder das Leben der Kurden im Irak. Bernd Blaschke ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramaturg. Nach der Ausbildung als Theaterregisseur wechselte er zum Film und arbeite mehrere Jahre in den Departments Produktion, Szenenbild und Regie, bevor er schließlich Drehbuchautor und Headwriter wurde.

»Wir Männer stellen uns über euch als Frauen.«

Warum will das Patriarchat die Macht um jeden Preis verteidigen? 

Maximilian: »Um jeden Preis« ist das Buch ja auf ganz vielen Ebenen. Die einfachste Antwort ist: Wir wollen alle behalten, was wir haben. Auf einer philosophischen Ebene könnte man sagen, dass eine Gesellschaftsstruktur, die auf freiem Handel basiert, dazu führt, dass wir denken, wir müssten auch alle wachsen. Plötzlich brauchen wir ein besseres Auto und ein größeres Haus. Und das bezieht sich auf alle. Wenn ich einen Großkonzern will, dann will ich einen noch größeren Konzern. Wenn ich Elon Musk heiße und der reichste Mensch der Welt bin, dann will ich die Welt in ein faschistisches Land verwandeln, das ich kontrolliere. 

Ich denke, es ist normal, dass wir das erhalten wollen, die wenigsten geben etwas von ihrem Reichtum ab. Und Männer haben Angst, dass sie etwas verlieren, wenn Frauen reinkommen und sie vermeintlich schwächen. 

»Um jeden Preis« ist das’ Thrillerdebüt.von Bernd Blaschke und Maximilian Ferreira Cress

Ihr habt euch als zwei Autoren entschieden, über Frauen zu schreiben. War euch das wichtig? 

Bernd: Ja. Das hat auch etwas mit der Frage davor zu tun. Das Patriarchat ist präsent und aus einer rein dramaturgischen Sicht ist eine weibliche Figur jene, die größeren Hürden begegnet und sich mit anderen Mitteln wehren muss. Auch, wenn sie versucht, das Spiel mitzuspielen, ist sie trotzdem immer »die andere«. Es hat für den Roman auch einfach Sinn ergeben, Frauen zu erzählen, die entscheiden müssen, auf welche Seite sie sich stellen. 

Maximilian: Michelle erlebt das klassische Patriarchat, das erwartet, dass sie aufhört als Journalistin zu arbeiten und Kinder kriegt. Das Patriarchat ist eben nicht nur Macht, wir Männer stellen uns über euch als Frauen.
Uns war es aber auch wichtig, dass wir Lebensrealitäten darstellen. Es gibt einen schwulen Staatsanwalt, einen Schwarzen Polizisten, der weiß, er kann gegen die rechtsextremen Strukturen nichts machen. In deutschen Vorabendserien sind das oft die Marker, auf die Geschichte aufgebaut wird. Wir wollten aber einfach Vielfalt zeigen, ohne dass das der relevante Faktor ist. 

Bernd: Wir haben in unseren Familien auch Frauen, Töchter, die Ehefrau, Lebenspartnerin, denen wir vertrauen und die uns für den Roman auch neue Perspektiven eröffnet haben. 

Ihr habt gesagt, dass Frauen in Romanen oft mehr Konflikte aushalten müssen. Sind sie deshalb die spannenderen Figuren für die Leser:innenschaft? 

Maximilian: Ich glaube, das kann man nicht so allgemein sagen. Im letzten Buch, das ich gelesen habe, ging es um die Geschichte eines Sklaven, der wahnsinnig viel aushält. Ich denke eher, dass eine Geschichte langweilig ist, wenn sie nichts aushalten muss. In unserem Fall hat es sich einfach gefügt, das heißt aber nicht, dass das immer so sein wird. 

Bernd: Ich glaube, es muss organischer und selbstverständlicher sein, dass wir über Figuren schreiben, die wir nicht sind. Unsere Aufgabe als Schriftsteller:innen ist, dass wir von der Welt berichten. 

»Faschisten und Rassisten bleiben die gleichen, auch wenn sie Kreide fressen.«

Martin würde dem jetzt sehr zustimmen, denke ich. Er schreibt auch oft über andere Lebensrealitäten oder Milieus und wurde dafür manchmal schon kritisiert. 

Maximilian: Ich glaube auch, dass man da differenzieren muss. Wir haben beispielsweise lange darüber nachgedacht, ob wir rechtsextreme Sprache reproduzieren, und uns dann dagegen entschieden. 

Manche würden sagen, dass diese die Geschichte realistisch macht. Wieso habt ihr euch trotzdem dagegen entschieden? 

Maximilian: Ich finde es bis heute wichtig. Ich habe gerade »The Trees« von Percival Everett gelesen, wo es um Morde an Schwarzen geht. Im Buch kommt sicher zweitausend Mal das N-Wort vor. Es ist natürlich ein Schwarzer Autor und für ihn ist es Realität. Er sagt, das nicht zu reproduzieren würde bedeuten, dass man so tut, als würde es nicht existieren. Ich verstehe die Argumentation auch. 

Bernd: Würden wir in unserem Buch extra harte, rassistische Sprache verwenden, würde es sich für mich anfühlen, als würden wir mit Schockeffekten versuchen, etwas zu verkaufen. Damit nehme ich in Kauf, dass ich jemanden retraumatisiere, der sich dann schlecht fühlt. Wir wollen als Autoren in Kommunikation treten, gerne gelesen werden und Leser:innen mit Sprache von Themen überzeugen. Und die erste Regel in der Kommunikation ist, dass man niemandem ins Gesicht schlägt. 

Ich finde trotz allem nicht, dass eure Sprache besonders seicht ist. 

Maximiian: Wenn Percival Everett von den Südstaaten erzählt, dann leben dort viele Schwarze und es ist irgendwie relevant für die Geschichte, dass er diese Sprache auch reproduziert, weil sie dort gelebter Alltag ist. Wir müssen das nicht machen, weil wir auch anders zeigen können, in welchen Milieus sich Michelle bewegt und wie dort interagiert und gesprochen wird.

Bernd: Und wenn sich Faschismus im bürgerlichen Gewand kleidet, dann nutzt er diese Worte auch nicht, man muss also darauf hören, was er sagt. Faschisten und Rassisten bleiben die gleichen, auch wenn sie Kreide fressen. 

Oder Politiker:innen sind. 

Bernd: Genau. Es ist auch näher an unserer Realität dran, wenn man beim Lesen feststellt, dass man diesen Ton von der AfD oder auch einem Merz kennt. 

Wie ist euer Eindruck nach dem Release bisher: Wollen die Leute diese harten Themen wirklich in einem Politthriller lesen? 

Maximilian: Ich bin gerade in den letzten Zügen meines zweiten Romans und habe den Verlag gebeten, mir bis dahin nichts zu Zahlen zu sagen. Wir hatten aber viele Interviewanfragen und Rückmeldungen von Leser:innen. Ganz häufig kriegen wir auch Bilder, wo unsere Bücher auf Büchertischen oder im Schaufenster liegen. Das finde ich interessant, weil das heißt, dass es zumindest beim Buchhandel gut ankommt. Und das ist für uns als Neulinge natürlich ausschlaggebend. 

Wir sind kein Romantasy und verkaufen sicher auch keine Millionen, aber wir müssen ja auch nicht Marvel werden (lacht). 

Bernd: Ich habe festgestellt, dass jüngere Leser:innen sehr interessiert sind und auch persönlich nachfragen, ob das alles wirklich so ist. Wir ordnen da auch viel ein und merken ein Interesse, die Welt zu verstehen. Gleichaltrige sagen eher, dass das stimmt und sie es alles vergessen haben. Wobei ich das Gefühl habe, dass es den älteren Leser:innen manchmal etwas zu schnell geschrieben ist.

Maximilian: Es war eine bewusste Entscheidung, dass wir im Präsenz schreiben, wir wechseln schnell in den Szenen, in den Figuren, springen dann plötzlich zurück. Es hat Gewalt und ist ein sprachliches Maschinengewehr. Wir glauben, dass das gut passt, aber in der Kombination kann man es entweder mögen oder total blöd finden. 

»Wir sind ein sprachliches Maschinengewehr, das kann man toll oder total blöd finden.«

Wie offen reagiert die Polizei, wenn man bei ihnen nach rechtsextremen Strukturen fragt?

Maximilian: Ich habe mal vor Jahren eine einstündige Radiosendung mit der Polizei gemacht und da habe ich nur mit denen dazu geredet. Die Polizei ist sehr vielschichtig. Es gibt die Ausbilder:innen, die Hochschule, die Beamt:innen im Dienst. Es gibt vor allem Professor:innen, denen es ein großes Anliegen ist, dieses Thema anzugehen. Die haben Geschichten erzählt, strukturelle Fehler bemängelt oder sagen, dass politisch oft was anderes gewollt ist, als sie empfehlen. Wenn du zum Revier gehst, kriegst du nur den Pressesprecher vorgesetzt und der sagt, was ein Pressesprecher sagt, dass man genau darauf achtet, dass das nicht passiert. Wenn man mit Polizist:innen redet, kommen persönliche Erfahrungen, die auch die ganze Bandbreite abbilden. Was ich herausfinden konnte ist, dass sich das System sehr schwer ändern lässt, weil sie selten gegen die Kolleg:innen ermitteln. Das ist eine enge Gemeinschaft, die sich nur schwer aufbrechen lässt. Manche Dinge kann man dagegen tun, zum Beispiel, dass es keine speziellen Teams gibt, das berücksichtigen aber nur manche Bundesländer. 

Bernd: Aber wir müssen auch eine Lanze für die Polizei brechen. Der überwiegend größte Teil der Polizei steht auf demokratischen Grundsätzen. Meiner Erfahrung nach sind Menschen, die bei der Polizei arbeiten, ordnungsliebend und möchten etwas bewahren, sie sind konservativ. Das ist überhaupt nicht schlimm – sie sind dennoch demokratisch und haben Werte. Es ist auch ein sozialer Beruf, sie haben Interesse an Menschen und diese zu schützen. Das Problem ist, dass ein kleiner Teil von Polizist:innen, die ihren Job nicht ernst nehmen, alles in Verruf bringen. 

Kamen dir deine bisherigen Arbeiten als Journalist hier zugute, Maximilian? Du recherchierst auch zu anderen Strukturen wie dem De-Facto-Staat Kosovo, ethnischen Minderheiten im Irak. Was fasziniert dich an diesen Themen?  Inwiefern sind diese Strukturen mit den von euch beschriebenen im Roman vergleichbar? 

Maximilian: Gar nicht (lacht). Aber ich finde diese Themen alle faszinierend und interessiere mich immer schon für solche Probleme, Minderheiten oder Milieus. Ich frage mich immer nach den Geschichten und Hintergründen der Menschen, zum Beispiel auch die Kurden, die kein Land haben und ganz anders leben als alle um sie herum. In diesem Fall haben wir vor der Haustür gekehrt.

»Das Problem ist nicht, dass alle Menschen deshalb rechtsradikal werden, das Problem ist die Bewunderung für die großen Konzerne und dass manches ›schon okay‹ ist.«

Michelle, Protagonistin eures Romans, recherchiert vor allem auch bei den reichen und mächtigen Familien, im Geldadel. Auch die Kolonialisierung spielt eine Rolle. Sind diese Themen die logische Konsequenz, wenn man zu rechtsextremen Strukturen recherchiert? 

Maximilian: Dass wir so tun als ob der Genozid an den Herero und Nama keiner wäre und eine Formulierung finden, die heißt »man würde heute von einem Genozid sprechen«, damit man bloß keine Verantwortwortung übernehmen muss, ist problematisch. Dass die großen Familien, die in der NS-Zeit einen Milliarden-Reichtum bekommen haben, diesen vor allem durch Ausbeutung und den Genozid bekommen haben, ist problematisch. Und auch, dass wir diese Unternehmer hochheben und sie bis heute nichts zurückgegeben haben. Das Problem ist nicht, dass alle Menschen deshalb rechtsradikal werden, das Problem ist die Bewunderung und dass das »schon okay« ist, wenn man jüdische Banken einkassiert oder KZs auf seinem Werksgelände hat. 

Und der zweite Aspekt, den rechte Strukturen gerne nutzen, ist die Ohnmacht gegen »die da oben«. Wenn ich nichts habe, um mich gegen diese Vormachtstellung zu wehren, dann wird meine Wut gegen den neben mir umgeleitet. Und das ist dann vielleicht der Migrant und nicht der, der mich wirklich einschränkt. 

Also ja, es hängt alles zusammen, nur nicht ganz so einfach. 

Bernd: Der Begriff »rechtsextrem« verschiebt sich auch historisch durch aktuelle Debatten, er kommt von Grundüberzeugungen der Gesellschaft und Ideologien. Grundsätzlich ist es aber ein wirtschaftliches Problem – Raub hat ein Opfer. Und sobald man nicht fair für etwas bezahlt, entsteht Ungerechtigkeit. Und diese Ungerechtigkeit zu verteidigen, das ist der Grund, warum das Patriarchat die Macht und wirtschaftliche Fähigkeit um jeden Preis behalten will. 

Maximilian: Es ist eine intermenschliche Realität, der wir uns stellen müssen.
Und: Menschenleben sind unterschiedlich viel wert. Wir reden über LA und Waldbrände und es geht um die Villen der Hollywoodstars. Auf der anderen Seite stand ganz Brasilien unter Wasser und die Tagesschau hat es ignoriert. Und genau das hat auch mit den alten Strukturen zu tun. Es heißt nicht, dass alle alten Strukturen zu Rechtsextremismus führen, aber sie begünstigen es. Wenn dich die BILD auf dem Kieker hat, dann ist es ganz schön schwer, andererseits können sie dich auch sehr hochleben lassen, wenn du mit ihnen arbeitest – und diese Zeitung ist ja zum Beispiel eindeutig rechtsextrem. 

Ich finde, es ist auch ein schönes Bild zwischen euren Protagonistinnen. Frida, die diese strukturellen Ungerechtigkeiten bei der Polizei erlebt und hinterfragt, und Michelle, die als Journalistin in einem ganz anderen Bereich recherchiert, aber auf ähnliche Mächte trifft. Warum habt ihr euch insbesondere für diese zwei Lebensrealitäten entschieden? War das auch eine dramaturgische Entscheidung? 

Bernd: Ja (lacht). Dramaturgisch ist Polizeiarbeit natürlich immer spannend. Natürlich geht es bei dem Thema Gerechtigkeit auch immer um Ungerechtigkeit, zum Beispiel zwischen arm und reich. 

Maximilian: Spannend zu sehen war, dass zwei Frauen weite Entwicklungen gehen, die aber diametral verlaufen. Die eine findet ihren moralischen Kompass wieder und folgt dem, verliert zwar auf der finanziellen und gesellschaftlichen Ebene viel, findet aber zu sich selbst. Während die andere genau das Gegenteil tut und den letzten Rettungsanker in einer Gemeinschaft sucht, die moralisch verwerflich ist; sie gibt sich selbst auf, um Teil davon zu sein. 

Bernd: Ein Stichwort darf man nicht vergessen, den Selbstschutz. Beide Figuren kommen an ihre Grenzen, wo sie auch sich selbst und ihre Ideale bewahren müssen. Da spielt auch das Verhältnis zur Schuld rein, denn sie können Dinge nicht rückgängig machen, aber es geht um die Frage, wie man sich dazu verhält und Verantwortung übernimmt. Da gibt es viele Möglichkeiten, und die zu erzählen, das ist spannend. 

Wie kann ich mir die gemeinsame Arbeit am Roman vorstellen? Habt ihr tatsächlich zusammen geschrieben? 

Bernd: Maximilian hat das Buch geschrieben, jedes Wort ist zuerst von ihm gekommen. Am Anfang haben wir es anders probiert, aber es hat sich immer unterschiedlich gelesen, weshalb wir besprochen haben, dass es aus einem Guss kommen sollte. Wir haben aber alles zusammen geplottet, Kapitel strukturiert, wir hatten zig Excel-Tabellen und unterschiedliche Versionen. Es gab vor dem Roman ganz viele Mini-Geschichten. In der heißen Phase hat Maximilian dann in erster Reihe gestanden und in dreieinhalb Monaten das Manuskript geschrieben. Ich habe ihm dann zugearbeitet und ihn auch im Schreibprozess mit Ideen unterstützt. Manchmal gibt es auch unvorhergesehene Dinge, die im Prozess auftauchen, wo wir dann darüber gesprochen haben. Ich war quasi das zweite Gehirn, das um den schreibenden Autor herumkreist und ihn gedanklich unterstützt hat. 

Ich grüße Martin an dieser Stelle. Kommt mir im Ansatz bekannt vor. 

Habt ihr weitere Romane geplant? 

Maximilian: Wissen wir nicht, im Moment schreiben wir beide an eigenen Storys. Wir würden aber nicht ausschließen, dass das nochmal passiert. 

Bernd: Wir haben in den drei Jahren viel über uns gelernt, über den Buchmarkt und über Debüts. Und jetzt ist es aber gut, wenn wir eigene Projekte haben. Mir ist es sehr wichtig zu erfahren, wie ich meine ganz eigene Geschichte schreibe. Als Drehbuchautor schreibe ich immer für Regisseure und muss andere Ideen annehmen, und jetzt ist das Verlangen da, einmal nur für mich zu schreiben. 

Was ist deine Idee? 

Bernd: Ein klassischer Crime-Thriller, der in Nürnberg spielt. 

Und bei dir, Maximilian? 

Maximilian: Mein Buch geht Ende des Monats ins Lektorat und erscheint 2026 zur Buchmesse in Leipzig. Es ist ein bisschen verrückt, ich habe vor einem Jahr angefangen zu schreiben, es geht um die Macht der Superreichen. Allerdings kein Musk, sondern eher ein Guter, bei dem es aber trotzdem problematisch ist. Es ist auch ein Spannungsroman – es gibt eine Leiche (lacht). 

Es kommt also mehr von euch. 

Bernd: Wir kommen wieder, ihr hört von uns. 

Ich nehme das nicht als Drohung. 

Bernd: Doch, solltest du! 🙂

Ihr seid neugierig geworden und möchtet ein Buch von Bernd und Max lesen? 

Buchbesprechungen zu "Um jeden Preis"

Link Rezi Sarah 

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