»Elisabeth«, das Musical über die berühmte österreichische Kaiserin, ist weltweit das erfolgreichste deutschsprachige Stück aus der Feder des Wiener Urgespanns Sylvester Levay (Musik) und Michael Kunze (Buch). Nach unzähligen Aufführungen in Österreich, Deutschland und zuletzt in China, geht die gefeierte Open-Air-Version vor dem Schloss Schönbrunn in Inszenierung von Regisseur Gil Mehmert nun auf Tour. Als halbkonzertante Fassung wirkt die Geschichte damit erstaunlich frisch. Ich habe das Erfolgsmusical zur Premiere in Berlin im Theater des Westens besucht.
(Die Show spielt bis zum 6.4.2025 in Berlin und geht anschließend weiter auf Tour)
»Ich habe sie ermordet, weil sie es wollte.«
Getragen wird die Lebensgeschichte der jungen Kaiserin und ihre Liebe zum Tod von ihrem späteren Mörder Luigi Lucheni. Robin Reitsma leiht der Figur seine Stimme und schlüpft in diese spottende, gehässige, zynische Rolle des Erzählers. Seine Rocknummern knallen, seine Süffisanz auf der Bühne macht unglaublichen Spaß, das Publikum liebt ihn.

Doch nach diesem Auftakt geht es erst einmal ruhiger zu. Erzählt wird vom stimmgewaltigen Ensemble chronologisch ab dem Moment, wo eigentlich Elisabeths Schwester zur Kaiserin Österreichs werden und Kaiser Franz Josef heiraten soll. Dieser, gespielt von Dennis Henschel, pfeift jedoch auf die Konventionen und ausnahmsweise sogar auf die Regeln seiner Mutter. Masha Karell als Erzherzogin Sophie dominiert hierbei von Anfang an die Beziehung zu ihrem Sohn und dessen Frau. Als “Mann am Hof” regiert sie hart, lieblos und gerät später auch bei der Erziehung von Elisabeths Kindern immer wieder mit ihr aneinander. Für mich bleiben die Figuren hier wie auch im Original leider immer etwas blass, sie bieten nicht allzu viel Spielpotenzial, bestechen aber trotz allem vor allem im zweiten Akt mit schönen Solos und einer spannenden Alterung auf der Bühne.
Wenig zu tun hat auch Dennis Hupka als ältere Version von Rudolf. Nachdem sein Bühnendouble, eine junge Kinderdarstellerin, im Auftakt des zweiten Aktes ihr Solo bekommt und beeindruckend klar singt, übernimmt er an dieser Stelle und führt den Leidensweg von “Sissis Kindern” fort. Die Tochter verstarb früh, er selbst begeht später Selbstmord.
»Wer waren ihre Hintermänner? Der Tod, nur der Tod. Und die Liebe.«
Der Tod ist zeit ihres Lebens immer schon an Elisabeths Seite – im Falle des Musicals sogar als Person. Lukas Mayer spielt die Rolle erstaunlich jung und sticht mit seinen gesanglichen Leistungen an diesem Abend heraus. Er schwebt immer über den Dingen, ist in den richtigen Moment extrem verführerisch, unwiderstehlich, dann wieder kalt, diabolisch und abweisend. Seine Nuancen machen unglaublichen Spaß und ich fand es äußerst erfrischend, diese Rolle abseits bestimmter Geschlechterrollen interpretiert zu sehen. Sein Tod gleicht mehr einer Fantasiefigur, die die Zuschauer:innen sofort und mühelos in ihren Bann zieht.
Und dann ist da noch Roberta Valentini als “Sissi”. Sie spielte die Rolle bereits in einigen früheren Produktionen, ist damit mehr oder weniger gewachsen. Und es ist wirklich eine Gratwanderung als Darstellerin eine so junge und naive Rolle zu spielen, gleichzeitig aber ihren Leidensweg bis ins Alter zu bedienen und schlussendlich die Verzweiflung einer Mutter zu mimen, die nach dem Tod ihres zweiten Kindes von Todessehnsucht begleitet wird und in den Armen des Todes, ihrer einzig wahren Liebe, viel zu früh stirbt. Vor allem die ältere Version der Rolle steht Valentini unglaublich gut, sie schafft es immer wieder, sich freizusingen und spielt die Rolle nicht nur, sie lebt sie in all ihren konzertanten Kürzungen und dadurch oft auch unvorhergesehenen Wendungen.

»Ich will euch was verraten: Eure Sissi war in Wirklichkeit ein mieser Egoist.«
Was fehlt noch in einer konzertanten Version? Natürlich ein Orchester. In diesem Fall haben die Vereinigten Bühen Wien ihre eigenen Musiker:innen mitgebracht und statt eines inzwischen leider klassischen Musicalorchester mit gewohnt kleiner Besetzung, saßen zwanzig Musiker:innen auf der Bühne des Theaters. Das bringt natürlich ordentlich Sound, hier und da vielleicht sogar etwas zu viel. Es sorgt bei mir aber auch zuverlässig für Gänsehaut und Emotionen. Und davon hat Elisabeth als klassisches Musical, viemher noch als Drama, richtig viele. Die Show ist für Liebhaber:innen klassicher Musiscals, aber auch für jene, die einen Einstieg hierzu suchen. Die konzertante Fassung ist deutlich kurzweiliger, eben deshalb nicht so altbacken, wenn auch im Bühnenbild sehr minimalistisch. Das macht richtig Spaß und steht dem Theater des Westens als altes, ehrwürdiges Theater richtig gut. Sowas möchte ich wieder öfter sehen!
