Komplett Gänsehaut [Sophie Passmann]

Gesellschaftskritischer Roman von Sophie Passmann
Kiepenheuer & Witsch, 19,99€ (Hardcover), 14,99€ (eBook)

Inhalt

Nach ihrem vieldiskutierten Bestseller »Alte, weiße Männer« entlarvt Sophie Passmann in ihrem neuen Werk den unerträglichen Habitus einer Bürgerlichkeit, durch die sie selbst geprägt wurde. Eine Passmannsche Suada at its best. Bloß nicht so werden, wie alle anderen um sich herum. Bloß nicht so werden, wie man schon längst ist. Bloß schnell erwachsen werden, um in die transzendentale Form des Verklärens eintauchen zu dürfen, die Jugend als »die beste Zeit des Lebens« zu feiern. Sophie Passmann teilt aus gegen alle, am verheerendsten aber gegen sich selbst und ihresgleichen. Zornig und böse, sanft und lustig zugleich zieht sie uns mit rein ins tiefe Tal der bürgerlichen Langeweile im westdeutschen Mittelstand. Sie geht vehement vor gegen die hedonistische Haltung einer wohlgemerkt nicht homogenen Generation, die ihr selbst nur allzu bekannt ist. Dies ist kein Memoir, kein Roman, keine Biographie, es ist: literarischer Selbsthass. Das finden Sie anmaßend? Genau das ist es und genau das will Sophie Passmann: sich anmaßen, das zu tun, was sie tun möchte. Komplett Gänsehaut einfach!

Meinung

„Pathos und Scham. Wenn man diesen beiden Gefühlen Sneaker anzieht, hat man jede Jugend.“

“Es ist eines dieser Bücher, die man als Journalist am liebsten gar nicht besprechen würde, nur zitieren”, schrieb Tobias Becker im Spiegel Kultur zum neuen Buch von @fraupassmann. Recht hat er.
27 Jahre alt ist das “Westdeutsche Mittelstandsgirl“, das in diesem Roman über ihre eigene Generation monologisiert. Gerade umgezogen, reflektiert sie zunächst ihre neue Hipster-Wohnung: Art déco-Regal, Bieretikette zwischen den Ritzen des Tisches, Manns “Zauberberg” im Regal und der Plattenspieler “um alte Leute zu beeindrucken”; später die Straße – die “Neon”, Risotto, Parties und Weinläden; und schließlich die gesamte Stadt -“Gewinner-Malte”, One-Night-stands, Hipster und Nazis. Selbst an ihren überpolitisch-korrekten Freunden lässt sie kein gutes Haar. Genderdebatte, Selbsterkenntnis und karamellisierte Walnüsse sind da nur noch das “Fior de Latte” auf der Pizza mit Kuhmilch-Mozarella. Berlin-Kreuzberg gefällt das.

Sophie Passmann ist die pure Form des Zynismus. Manchmal auch ein bisschen verachtend, vermutlich steht das Buch deshalb auch so in der Kritik. Nach “Alte weiße Männer” hat sie gezeigt, dass sie nicht nur mit dem Finger auf andere, sondern auch auf die eigene Generation zeigen kann. Ich mochte genau diese Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung sehr, und habe das Buch ohne Absetzen durchgelesen. Okay, war auch fast nicht anders möglich, die Monologe des lyrischen-Ichs gehen nämlich bevorzugt seitenlang, ohne Punkt und Komma. Muss man mögen, spiegelt aber das Chaospotenzial im Kopf nach dem Lesen famos wider.

Ich habe mich dabei erwischt, dieses Buch zu hinterfragen. Leider hatte es keine Sneaker an, weshalb das Verstehen etwas länger gedauert hat. (Bekanntlich kann man den Charakter eines Menschen anhand seiner Sneaker-Auswahl erkennen.) Jetzt aber bin ich mir sicher: Ein verdammt verdienter Bestseller. Nicht nur für 27-Jährige Lesenswert, sondern im wahrsten Sinne ein Generationenroman. 

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