Stella [Takis Würger]

Historischer Roman von Takis Würger
11,99€ (ebook), 12,00€ (Taschenbuch), 22,00€ (Hardcover)

Die Diskussion, die medial um diesen Roman geführt wurde, habe ich erst bei meiner Recherche während des Lesens mitbekommen. Takis Würger stand in der Kritik, den Holocaust zu verherrlichen und zu romantisieren. Eine Kontroverse der großen Kritiker von Welt, Zeit, Spiegel und Co. entbrannte, der Roman wurde gleichermaßen verrissen wie hochgelobt. 

“Stella” ist ein Teil der Geschichte der Jüdin Stella Goldberg, die zwischen 1943 und 1945 als Spitzel der Gestapo zahlreiche Juden verriet und in den Tod schickte, um sich und ihre Familie zu schützen. Erzählt wird der Roman allerdings aus der Sicht von Friedrich, einem ziemlich naiven Schweizer Anfang zwanzig, der in Berlin das wilde Leben sucht und sich Hals über Kopf in die schöne, schlagfertige Blondine verknallt und sie – zugegeben – verherrlicht. 

Stilistisch ist “Stella” der Inbegriff des Show, don’t tell. Knappe Sätze, die Bruchteile der Handlung andeuten – alles andere bleibt der Fantasie der Lesenden überlassen. Die Sprache ist an den richtigen Stellen hochtrabend, dann wieder Gossenjargon. Lässt sich prima weglesen, macht Spaß. Und vor allem macht es Spaß, sich mit der Person Stella Goldberg zu befassen. Ja, mit ein bisschen Recherche stellt man schnell fest, dass der Roman keine historische Dokumentation ist. Friedrich als Person verherrlicht eine Frau, deren Geschichte er viel zu spät erfährt. Der Roman spielt mit der subjektiven Wahrnehmung eines verknallten Bürschchens (anders kann man den echt nicht bezeichnen!). Ich finde nicht, dass künstlerische Freiheit und vor allem eine ungewöhnliche Perspektive dem Roman zwangsläufig seine Ernsthaftigkeit nehmen.

Ja, für einen Spitzentitel mit Lektorat aus der Chefetage und dem journalistischen Hintergrund des Autors verstehe ich, dass viele den Wahrheitsgehalt und mangelnde Recherche kritisieren. Nichtsdestotrotz stellt der Roman einen gelungenen, mitreißenden Einstieg in die Biografie Stella Goldberg dar. Das hinzugefügte Nachwort von Sascha Feuchert gibt zusätzliche Erklärungen. Für weitere Lektüre empfehle ich die Artikel aus dem “Spiegel”. Und auch die Kritiken der Zeitungen sind durchaus empfehlenswert, so funktioniert gute Diskussion!

Stella Goldschlag (vereinzelt auch: Stella Goldberg), geboren 1922, war eine jüdische Schauspielerin und Jazz-Sängerin aus Berlin. Von 1943 bis 1945 arbeitete sie als Greiferin für die Gestapo. Bis 1943 lebte Goldschlag mit ihrem zweiten Mann im Untergrund Berlins, bis sie von der Gestapo entdeckt und verhaftet wurde. Kurz darauf wurde sie wieder freigelassen und arbeitete ab diesem Zeitpunkt als Spitzel für die Gestapo. Dafür musste sie nicht mehr im Untergrund leben und bewahrte ihre Eltern bis 1944 vor der Deportation nach Auschwitz. 

1945, nach Ende des Krieges, wollte sich “das blonde Gespenst vom Ku’Damm” als Opfer des Faschismus melden. Beim Blick auf ihre Akten wurde sie jedoch festgenommen und im Polizeigefängnis Alexanderplatz inhaftiert. Dort wurde sie in einem Prozess 1946 auch zu 10 Jahren Lagerhaft verurteilt. 

Nach der Haft kehrte sie 1977 nach Berlin zurück, um Kontakt zu ihrer Tochter aufzunehmen, die sie 1945 in einem Versteck im Berliner Westen gebar. Diese wollte mit ihrer Mutter aber nichts zu tun haben und wanderte nach Israel aus. 1993 erschien das Buch “Stella”, eine Erinnerung ihres Klassenkameraden Peter Wyden, mit dem Goldschlag guten Kontakt pflegte. 1994 ertrank sie im Moosweiher, die Polizei geht von einem Suizid aus. 


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