Sie hat Bock.
Katja Lewina heißt eigentlich nicht wirklich so, schreibt unter diesem Namen aber seit vielen Jahren Bücher und Artikel. Nach dem Studium für Slawistik sowie Religions- und Literaturwissenschaften arbeitet sie zunächst als freie Autorin und im Künstlermanagement, bevor 2020 ihr erstes Buch “Sie hat Bock” erscheint, in dem sie von struktureller, sexueller Ungerechtigkeit und weibliche Lust erzählt. Kurz darauf veröffentlichte sie mit “Bock” die Gegendarstellung und spricht mit heterosexuellen Männern zu diesen Themen. Im vergangenen Jahr schrieb sie mit “Ex” ihr drittes und persönlichstes Buch. Katja trifft sich darin mit den zehn wichtigsten Männern aus ihrem Leben und spricht mit ihnen über ihre Beziehungszeit und das Ende dieser. Also fast, denn einer dieser Männer ist ihr jetziger Freund, in den sie sich während der Recherchen zum Buch erneut verliebt.
[Triggerwarnung: In diesem Text geht es auch um die Themen Tod und Trauer. Wenn es dir damit nicht gut geht, lies diesen Text und verlinkte Artikel bitte nicht.]
Nicht nur in ihren Büchern, sondern auch in den Beiträgen, die sie beispielsweise für den SPIEGEL schreibt, schreibt sie extrem offen und immer wieder über Tabuthemen. Erst kürzlich veröffentlichte sie einen Artikel, in dem sie über den plötzlichen und unerwarteten Tod ihres Sohnes spricht, in einem anderen schrieb sie über ihre seltene Herzerkrankung, wie sie darüber mit ihren Kindern spricht und den Einfluss ihrer Krankheit auf ihr Liebesleben.
Ich hatte die Möglichkeit, Katja fünf kurze Fragen zu stellen – und finde die Antworten darauf wirklich spannend. Warum man sich eigentlich nicht trennen sollte, wer Katja inspiriert und ob sie es manchmal bereut, dass sie in der Öffentlichkeit so über ihr Privatleben spricht, lest ihr in diesem Interview.
Das größte Gehemnis der Menschheit
Katja, wer dir bei Instagram folgt, sieht, dass in deinem öffentlichen Leben viel los ist – Schönes, Trauriges, Emotionales. Weil die Frage bei Interviews viel zu oft vergessen wird: Wie geht es dir gerade?
Bin auf dem Weg zu einer Lesung nach Leipzig, also hervorragend. Ich liebe es, meine Abende mit meinen Leser:innen zu verbringen.
Nach »Sie hat Bock« und »Bock« wirst du in deinem dritten Buch persönlicher und emotionaler. Es geht um die Liebe, Beziehungen und das Scheitern dieser. Was bedeutet Liebe für dich? Und vielleicht daran anschließend: Was macht für dich eine glückliche Beziehung aus?
Liebe ist eins der größten Geheimnisse der Menschheit, da bin ich ganz klein und hilflos. Ich selbst spüre sie über absolute Loyalität und über den Willen zur Dauer. Nicht die Sehnsucht, den Willen – das ist ein Unterschied. Eine Beziehung muss auch nicht andauernd „glücklich“ sein, schwere Zeiten gehören dazu, immer. Wichtig ist, dass auf die Dauer mehr Gutes drin ist als Schlechtes. Eine sehr einfache Rechnung eigentlich. Und klar, dafür sind wir selbst verantwortlich. Mit unserer Wahl, aber auch damit, wie ehrlich wir uns selbst zeigen und die andere Person als die nehmen, die sie ist.
Monogamie, Polyamorie und alles dazwischen
Du triffst dich für ein Romanprojekt mit zehn deiner Ex-Freunde, um mit ihnen über eure gemeinsame Zeit und das Ende eurer Beziehung zu sprechen und sagst danach: “Das hier war besser als jede Therapie.” Natürlich fängst du während des Projektes an, auch dich selbst zu reflektieren und ein Muster zu erkennen. Welche war darüber hinaus die wichtigste Erkenntnis, die du aus dem Projekt mitnimmst und wie kam es dazu?
Es gibt immer mehr als eine Wahrheit. Wir neigen dazu, uns immer die gleichen Geschichten über uns zu erzählen. Schuld sind immer die anderen, und selbst, wenn wir an der Misere beteiligt waren – wir konnten ja auch nichts dafür. Ich habe festgestellt, dass wir für so ziemlich alles was können, was in unseren Beziehungen passiert, und dass sich der Wahrheit der anderen zu stellen, uns helfen kann, einen ganz neuen Blick auf sich selbst und die eigene Geschichte zu bekommen.
Welche Erkenntnis hattest du zuletzt über Beziehungen? In welchem Punkt hat sich deine Meinung zu Beziehungen vielleicht auch schon mal gewandelt?
Trennungen sollte es eigentlich nicht geben. Früher habe ich mich immer radikal getrennt, wenn eine Liebesbeziehung vorbei war. Alle Sachen weg, Kontaktsperre oder wenigstens ausschleichen lassen, solche Dinge. Aus heutiger Sicht fühlt sich das beinahe gewaltvoll an. Nur, weil ich mit jemandem keine romantische Beziehung führe, heißt das nicht, dass ich diesen Menschen aus meinem Leben cutten muss. Gefühle mögen sich verändern, aber Sympathie und Verbundenheit kann man doch nicht einfach so anschalten. Ich bin dafür, dass man sich gegenseitig erhalten bleibt. Nur vielleicht ein bisschen anders, als man es gewöhnt war.
In welchen Momenten hast du es schon mal bereut, öffentlich über dein Privatleben, deine Beziehung, deine Sexualität und dein Liebesleben zu sprechen und zu schreiben?
Ich bereue es quasi andauernd. Und dann freue ich mich wieder drauf!
Welche Begegnung hat dich in deinem bisherigen Autorinnen-Leben am meisten geprägt? Kannst du mir davon erzählen?
Keine einzelne, sondern all die Begegnungen mit Frauen in verantwortlichen Positionen, die mir eine Chance gegeben haben, mich zu beweisen und die mich nach vorne gebracht haben. Das macht mich immer richtig glücklich: Wenn eine die andere mit hochzieht.
Ihr seid neugierig geworden und möchtet mehr über Katjas Bücher und ihre Arbeit als Autrin erfahren? Dann lest gerne auch hier vorbei:
Einen Überblick ihrer Werke findet ihr hier: