Die Crime Night, spannende Romane und ein Seitenhieb auf Küstenkrimis
Im Selfpublishing kommt man – ob als Leser:in oder Autor:in – kaum an Nika Lubitsch vorbei. Sie war nicht nur eine der ersten, die diese Art der Veröffentlichung für ihre Romane wählte, sondern ist bis heute auch eine der mit Abstand erfolgreichsten.
Am 27.9. bestreitet Nika Lubitsch gemeinsam mit Alex Pohl, Jennifer Ebbinghaus und Martin Krist, moderiert von mir, die 3. BuchBerlin Crime Night im Berliner Kriminaltheater. Grund genug für uns – Martin Krist und mich – Nika zu einem #Krimikreuzverhör einzuladen.
Wir haben mit Nika gesprochen – über ihre Anfänge, das Klavierspielen und Schreiben, den unverständlichen Hype auf Küstenkrimis im Selfpublishing, ihre Buchverfilmung im ZDF, Backbücher im Verlag und John Lennon.

Übrigens
Dieses #KrimiKreuzverhör habe ich zusammen mit Martin Krist geführt. Auszüge des Gesprächs mit Nika Lubitsch findet ihr in den »Bösen Briefen«, seinem monatlich erscheinenden Krimi-Newsletter. Lest dort für zahlreiche weitere Interviews, Einblicke in seine Autorenwerkstatt, exklusive Buchbesprechungen und vieles mehr unbedingt vorbei!
»Der Tod von John Lennon hat mich zu meinem ersten Thriller inspiriert.«
Künstleragentin, Theaterdirektorin, Journalistin und Radioproducerin, PR-Chefin und Werbeleiterin – wie kommt man zur Schriftstellerei?
Da war ich vorher schon. Mit 17 habe ich zusammen mit meiner Freundin eine Kitschroman-Parodie geschrieben, die sogar verlegt wurde. Schon als kleines Mädchen lautete mein Berufswunsch »Schriftstellerin«. Nur wie wird man das? Ich habe alles gemacht, was mir spannend erschien: Mit 26 war ich PR-Chefin im Musikverlag der Beatles. Der Tod von John Lennon hat mich zu meinem ersten Thriller inspiriert. Der Titel war »Backstage«, er wurde von allen Verlagen ungelesen abgelehnt, einer schrieb als Begründung: »Anbei Backs-Tage zurück. Wir verlegen keine Kochbücher.« Ich musst also anderweitig Karriere machen.
Deine ersten Bücher – »freche Sachbücher« sind seinerzeit noch im Verlag erschienen, oder?
In zwei Verlagen. Erst bei Eichborn und als die pleitegingen, bei Goldmann. Aber die Verlagserfahrungen waren so frustrierend, dass ich das Schreiben eingestellt habe.
Dann kam das Selfpublishing – was bedeutete diese damals neue Möglichkeit, Bücher zu veröffentlichen, für dich?
Mein Mann hatte mir einen Kindle zu Weihnachten geschenkt und dazu zwei Bücher, wie man den bedient: eines von Matthias Matting und eins von Ruprecht Frieling. In beiden »Gebrauchsanweisungen« stand auch, dass man selbst hochladen kann. Probieren geht über Studieren, sagte ich mir. Ich hatte über Jahre hinweg zur Übung Kurzgeschichten geschrieben, die habe ich zusammengefasst und unter dem Pseudonym Nika Lubitsch hochgeladen, man will sich ja schließlich nicht seinen guten Autorennamen kaputt machen. Das war Mitte Juli 2012, ich habe in zwei Wochen 365 eBooks verkauft. Da geht noch was, sagte ich mir. Und dann fiel mir »Der 7. Tag« ein.
Ich hatte zehn Jahre vorher meinen zweiten Krimi geschrieben und diesen, wie gehabt an alle großen Verlage verteilt. Und wieder hagelte es Absagen, diesmal war das Manuskript immerhin angelesen worden. Also habe ich das Manuskript ein bisschen zeitlich nach vorn versetzt und hochgeladen. Eine Woche umsonst angeboten, es wurden 8.000 Stück runtergeladen. Wer wollte das noch gegen Geld lesen? Bis heute rund 450.000 Leser nur in Deutschland! Drei Tage, nachdem ich den Roman zum Verkauf für Euro 2,99 gestellt hatte, landete das Buch auf Platz 1 der Bestsellerliste und blieb dort – immer wieder unterbrochen von den drei Ausgaben von Shades of Grey – über ein halbes Jahr.

Nika Lubitsch
war Künstleragentin und Theaterdirektorin, Journalistin und Radioproducerin, PR-Chefin in einem Musikverlag und Werbeleiterin in einem Filmverleih, bevor sie sich mit ihrer eigenen PR- und Event-Agentur selbstständig gemacht hat. Sie lebte in England, in Italien, in Frankreich und in den USA. Im Herzen ist sie immer Berlinerin geblieben, deshalb spielt ein Großteil ihrer Romane auch genau dort. Nika Lubitsch lebt heute zusammen mit ihrem Mann und einer Katzen in Berlin-Zehlendorf.
Schon mit deinem ersten Roman, »Der 7. Tag«, einer zu Unrecht des Mordes an ihrem Gatten verurteilen Ehefrau, hast du ein tragisches Frauenschicksal ins Zentrum der Geschichte gerückt – und es zieht sich wie ein roter Faden durch dein Werk, bis zum aktuellen Thriller »Tod im Strandkorb 24«, in dem die junge Laura in einer Toten ihre verschollene Schwester zu erkennen glaubt. Wie kommt es?
Ich schreibe genau die Geschichten, die ich selbst gern lese. Ich mag keine klassischen Polizeiromane. Meine Vorbilder sind eher Mary Higgins Clark oder Minette Walters oder Patricia Highsmith. Mir ist es wichtig, dass meine Leser, was ja vor allem Leserinnen sind, sich in die Protagonistin einfühlen können, mit ihr leiden und bangen.
»Mir als Journalistin ist Recherche sehr wichtig.«
Wieviel True Crime steckt in diesen Geschichten?
Ich lasse mich sehr oft von wahren Verbrechen inspirieren, das heißt, ich recherchiere weltweit nach Fällen, die zumindest dubios oder ungelöst sind. Und wenn ich dann anfange zu denken, ach, das könnte aber alles auch ganz anders oder so oder so gewesen sein, dann habe ich mein Thema gefunden. Ab dann beginnt aber die Fiktion.
Ich bin ja auch Journalistin, mir ist Recherche immer wichtig. Wenn ich schreibe: Er musste der uralten Blutbuche ausweichen. Dann steht an dieser Straße auch eine Blutbuche.
Authentizität ist dir in deinen Romanen sehr wichtig, weshalb es dich immer wieder an reale Orte verschlägt. Wie wählst du diese für deine Romane aus?
Das kommt auf den Plot und auf meine Protagonisten an. Die machen sich ab und an nämlich selbstständig. Die meisten meiner Romane spielen allerdings in Berlin – in meinem Berlin. Es ist nicht das junge Mitte-Berlin, sondern das Ureinwohner-Berlin, ich bin im Südwesten der Stadt aufgewachsen, das ist mein Zuhause.

Nicht alle deine Romane sind in Berlin lokalisiert – in »Das 2. Gesicht« beispielsweise verschlägt es Julia nach Florida, wo sie die Wege eines Serienkillers kreuzt. Du hast selbst in Florida gelebt …
Es gibt Plots, die funktionieren nicht in Deutschland. In »Das 2. Gesicht« – aber auch in »10 Stunden Ewigkeit« spielt die Videoüberwachung eine große Rolle, die gibt es bei uns in Deutschland nicht. Deshalb spielen diese Romane in Florida, was für mich meine zweite Heimat ist. Zum Glück habe ich schon ein paar Jahre Lebenserfahrung und so kann ich vieles in Gegenden versetzen, in denen ich schon mal gelebt habe, nach Frankreich, Italien, England und USA.
Dein Partner war ehemaliger Ermittler einer Berliner Mordkommission, viele deiner Romane spielen in Berlin – wie hilfreich ist sein Wissen für deine Arbeit?
Ich habe drei Romane der Serie Blue Light zusammen mit einem ehemaligen Ermittler einer Berliner Mordkommission geschrieben. Er schrieb mir auf eines meiner Bücher, dass es ihm gut gefallen hätte – nur hätte, nur so blöd sei die Polizei nun doch nicht. Daraufhin habe ich ihm geschrieben, dass ich versuche, die Polizei immer zu umgehen, denn in Berlin bekommst du keine Auskunft von der Polizei, die haben die Autorenbetreuung geschlossen und darüber sind die in der Pressestelle stinksauer und reagieren auf Anfragen ebenso.
Da hat mir Michael Hellmann angeboten, dass wir uns treffen könnten, wenn er das nächste Mal in Berlin sei und er alle meine Fragen beantworten könnte. Wir haben uns getroffen, uns sofort super verstanden und quasi schon am ersten Abend den Entschluss gefasst, dass wir mal einen Roman zusammen schreiben wollen. Ich habe während dieser Zeit viel über die Berliner Polizei und ihre Arbeitsweise gelernt. Leider finden meine Leser unsere Polizeiromane nicht so spannend wie meine Zahlenkrimis, so dass ich die Serie mit Band 3 eingestellt habe. Aber ich kann immer mit Fragen zu meinem Kollegen kommen, das hilft ungemein.

Auch Zahlen spielen in deinen Romanen bzw. deinen Romantiteln eine große Rolle. Woher kommt diese Vorliebe?
Keine Vorliebe. Rein wirtschaftliche Notwendigkeit. »Der 7. Tag« war ein Glückgriff, da ich die 7 so hübsch und prominent gestaltet habe. Für den Nachfolgethriller fiel mir der Titel »Das 5. Gebot« ein und schon war die Zahlenkrimi-Reihe geboren.
Ausgerechnet dein Erstling »Der 7. Tag« wurde vom ZDF verfilmt und erreichte mit über 6 Millionen Zuschauern ein überdurchschnittlich viele Zuschauerinnen – ein für Selfpublisher phänomenaler Erfolg. Wie kam es dazu?
Glück! Ich bekam eine Mail von einem Leser, der im Stadtpark von Madrid saß, gerade mein Buch gelesen hatte und fragte, ob das schon verfilmt worden sei.
Nee, schrieb ich an den Absender zurück, der sich als Executive Producer von Constantin Spain vorstellte.
Sekunden später schrieb der Mann zurück, er fände, das Buch müsse verfilmt werden und ob er nicht versuchen dürfe, das Manuskript dafür zu verkaufen.
Mach mal, habe ich ihm geschrieben. Daraufhin kam er nach Berlin und wir machten einen Vertrag. Eine Woche später hatte ich fünf Angebote, unter anderem auch für eine Kinoverfilmung einer Major Company, aber mir war Lerchenberg lieber als Hollywood. Damals wusste ich noch nicht, wie schwer es ist, überhaupt eine Buchverfilmung hinzukriegen – das dauert und so ein Verfilmungsvertrag heißt noch lange nicht, dass das Buch tatsächlich verfilmt wird.

»Das richtige Buch zur richtigen Zeit, andere nennen es Glück.«
Du gehörst mit zu den erfolgreichsten Selfpublishern Deutschlands – wie erklärst du dir diesen Erfolg deiner Krimis?
Das richtige Buch zur richtigen Zeit, andere nennen es Glück.
Unserem Eindruck nach gehören Küstenkrimis zu den Lieblingsgenres der Selfpublisher. Was reizt auch dich an diesem Genre?
Es reizt mich NULL. Ich habe »Strandkorb 24« als kleinen Seitenhieb auf diesem Hype geschrieben, alles, was in diesem Krimi an der Küste spielt, ist das Auffinden der Leiche. Die Musik spielt dazu in Berlin, diesmal in Frohnau.
Du hast mal gesagt: »Schreiben ist wie Klavierspielen« – wie darf man sich das vorstellen?
Wenn du Klavierspielen lernst, dann spielst du Hänschen Klein, dann den Flohwalzer, greifst daneben, spielst einstimmig, zweistimmig, irgendwann schaust du nicht mehr auf die Tasten, später nicht mehr auf Noten, du hast Melodien in Kopf und du kannst spielen, variieren. Bis man zum Virtuosen wird, dauert es lange und es verlangt viel Übung. Aber dann geht es von allein. Beim Schreiben ist es ähnlich. Anfänger schreiben meist chronologisch, eindimensional, haben kein Gefühl für Tempo, für Subtext, schmeißen die Perspektiven und Zeiten durcheinander, benutzen das Passiv und Verallgemeinerungen, abgegriffene Redewendungen und wissen nicht, wie man die Leser:innen am Lesen hält. Das alles sind Punkte, die man lernen kann. Nicht alles auf einmal, sondern Stück für Stück, bis es dir in Fleisch und Blut übergegangen ist.
»Die einen Menschen sind Angestellte, die anderen Unternehmer.«
Was rätst du Schriftstellern, die vom Schreiben leben möchten?
Setz dich hin und schreib!
Ich hatte in den USA einen uralten Golflehrer. Immer, wenn ich in den Sand gehauen habe, hat er mir zugerufen: Just hit the ball! Und plötzlich flog der Ball. Es ist so einfach und simpel. Just hit the ball.
Wobei es ganz wunderbare Sekundärliteratur gibt, für Menschen, die das Handwerk Schreiben lernen wollen. Allen voran: Sol Stein – Über das Schreiben. Oder Bücher »Wie man einen verdammt guten Roman schreibt« von James N. Frey. Standardwerke!
Und wenn der Roman fertig ist, muss man sich entscheiden, für oder gegen Verlag. Selfpublishing ist nichts für Undisziplinierte. Du brauchst ein erhebliches Maß an Selbstbewusstsein, Selbstkontrolle und Disziplin, um in diesen Business Erfolg zu haben. Denn nur mit regelmäßigen Veröffentlichungen kannst du gut davon leben. Und du musst immer mit dem Ohr an der Zeit sein, dich um die Vermarktung kümmern. Bis das mit einem Verlag klappt, dauert es im günstigsten Fall ein paar lange Jahre. Im ungünstigsten Fall ergeht es einem dann wie mir.
Die einen Menschen sind Angestellte, die anderen Unternehmer. Wer eine Angestellten-Mentalität hat, ist bei einem Verlag besser aufgehoben. Wer eine Unternehmer-Mentalität hat, wird in einem Verlag selten glücklich.
Welches deiner Bücher empfiehlst du Leser:innen, die zum ersten Mal einen Roman von Nika Lubitsch lesen möchten?
Es ist eigentlich egal. Ich persönlich habe zwei Lieblingsbücher: »Der 6. Geburtstag« und »Im 8. Kreis der Hölle«. Es sind aber nicht die bestverkauften.