Musicaldarsteller Paul Csitkovics: »Ich dachte immer, Romeo ist ein Player – ist er aber nicht.«

Interview mit Pual Csitkovics

Avocados, Nutella und fünfzehn Zentimeter Plateau

Das Erste, was ich über Paul Csitkovics lese ist, dass er Nutellabrote unbedingt mit Butter isst (bitte was?!) und Avocados nur deshalb so beliebt sind, weil sie nach nichts schmecken (good point, aber probier es mal mit Kräutersalz.). Die Castankündigungen für die Welturaufführung von ROMEO & JULIA, das neue Musical des Komponisten-Duos Peter Plate und Ulf Sommer, trudeln nach und nach bei Instagram ein. Und für mich steht nach dieser Vorstellung des First Cast Romeo fest, dass ich ihn unbedingt vor den Proben zu einem Interview treffen möchte. 

Mache ich dann auch, gut zwei Monate später, die Proben zum Stück haben gerade begonnen und ich bin mit Paul nach Feierabend auf eine Cola verabredet. »Pauli», stellt er sich vor. »Paul – oder auch für mich Pauli?«, frage ich zurück. »Letzteres. Paul klingt immer so nach ’nem Auditionding, finde ich.« Alles klaro.  Und so beginnt das Gespräch mit Pauli. Natürlich über seine Rolle als Romeo und den Unterschied zwischen Liebe und Lust, aber auch über den anstehenden Probenprozess, Diversität und das Patriarchat, fünfzehn Zentimeter Plateauabsätze, gescheiterte Schriftsteller und schließlich die Frage aller Fragen: Wenn du ein Musicalsong wärst, welcher wäre es?

Übrigens

Ich habe auch ein Interview mit Yasmina Hempel geführt, die in ROMEO UND JULIA die Rolle der Julia spielen wird. 

»Jung sein bedeutet unbeschwert sein.«

Lass uns direkt in die Rolle einsteigen. Wer ist Romeo für dich?

Romeo ist jung. Romeo ist ein Kompromissloser. Romeo steuert mit Vollgas auf die Schneewehe zu, anstatt zu versuchen, wegzulenken. Der ist immer himmelhochjauchzend. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht er es durch – ohne Rücksicht auf Verluste. Und es ist total schön, einen 15-jährigen zu spielen. Er ist dadurch so komplett Kopf befreit und geht nur dem Herzen nach, das macht total viel Spaß und fühlt sich sehr richtig an.

Was genau hast du jetzt in den ersten vier Tagen Probenzeit entdeckt, das sich so richtig anfühlt? 

Dass Unbeschwertheit das ist, was jung sein bedeutet. Keine Angst vor Konsequenzen und nur dem Herzen nach – nichts zerdenken und sich dabei absolut sicher sein. Ich wünsche mir, dass die Zuschauenden Romeo am Ende ein bisschen verstehen können. Man kann nicht alle seine Handlungen nachvollziehen, aber ich würde mir wünschen, dass sie seine Entscheidungen verstehen können.

Interview Paul Csitkovics
© Rose Closé

Paul »Pauli« Csitkovics

studierte Musical an der Performing Academy in Wien und lernte Tanz in der Tanzwerkstatt Fux. Sein Weg führte ihn über zahlreiche Showtanz-Meisterschaften und das Finale bei »Got to Dance« (Pro7) auf die deutschsprachigen und internationalen Musicalbühnen. Er wirkte unter anderem in ARTUS – EXCALIBUR (Felsenbühne Staatz),  JESUS CHRIST SUPERSTAR (Vereinigte Bühnen Wien) oder der Uraufführung von I AM FROM AUSTRIA (Raimund Theater, Wien) mit. Seine Darstellung als Prince/ Wolf in INTO THE WOODS brachte ihm 2016 außerdem eine Nominierung für den Papageno-Award. Im vergangenen Sommer war Pauli als Prinz Ferdinand von Nebenan in DROSSELBART bei den 38. Brüder Grimm Festspielen in Hanau, unter Regie von Christoph Drewitz, zu erleben. Unter gleicher Regie probt er aktuell seine Rolle als Romeo im Musical ROMEO & JULIA am Theater des Westens. 

»Romeo lernt den Unterschied zwischen Lust und Liebe - das ist essentiell für das Stück.«

Will Romeo einfach nur Verliebtheitsgefühle erleben? 

Ja, schon. Julia ist in unserer Version sehr aktiv. Sie setzt sich selbst ihre Grenzen und sucht ihre Grenzen, das findet Romeo extrem anziehend und faszinierend. Rosalinde, um die Romeo am Anfang im Wald trauert, war gefühlt »The most popular girl in school« – alle wollten was von der, natürlich will er dann auch. Sie will aber lieber keusch leben und geht ins Kloster. Und dann glaubt er, er ist heartbroken, was er aber nicht ist. Er merkt erst, was Liebe ist, sobald er Julia sieht.

Was ist Liebe für Romeo? 

Liebe ist für Romeo Hoffnung. Liebe ist für ihn Geborgenheit. Dass es einen Ausweg für ihn als Suchenden gibt. Er sucht sich Grenzen – unter anderem bei Pater Lorenzo, zu dem er dieses enge Verhältnis hat, das er von seinen Eltern nicht kennt. Die sind eher so: »whatever, mach halt, was du willst.« 

Pater Lorenzo ist dann auch verwirrt, weil es erst um Rosalinde und dann plötzlich um Julia geht und sagt Romeo, dass er doch mal chillen soll. Aber der antwortet ihm, dass Rosalinde zwar schön war und er sie geil findet, aber Julia ist seine Liebe. Romeo merkt da den Unterschied zwischen Lust und Liebe – und das ist sehr essentiell für den ersten Teil des Stückes. Er sagt ja auch: »Ich wusste nicht, was mir fehlte, bis ich dich sah«, also er wusste die ganze Zeit nicht, was genau ihm gefehlt hat, dann steht sie da und es ist alles in Ordnung. Das finden wir gerade in den Proben und erkennen, dass genau das die Richtung ist. 

Ist das auch der Weg, wie du ihn vor den Proben gesehen hast?

Teilweise ja und teilweise nein. Ich dachte schon, dass Lust gegen Liebe das Thema für Romeo wird, aber ich war der Überzeugung, dass er wahrscheinlich schon ein paar Frauen hatte und am rumflirten war. Ich dachte, er ist ein Player, aber wir merken ganz viel, dass er genau das nicht ist. Er wäre es gerne und glaubt, einer zu sein, deshalb geht er auch in den Wald, um dort auf cool zu machen und ein bisschen Herzschmerz zu haben. Er weiß, er will das fühlen, fühlt es aber nicht. Und deshalb spielt er sich das alles vor – was sich schlagartig ändert, als er Julia trifft. 

Ist er in Julia verliebt? 

Ja, das glaube ich. Romeo lebt sehr im Moment, und ich glaube, dass sie in diesem Moment seine große Liebe ist. Wenn ich mich jetzt mit meinem Teenager-Ich vergleiche, war ich damals auch unsterblich verliebt, total, das war alles. Da kam nichts drüber (lacht). Natürlich sehe ich das jetzt anders, wo ich auch andere Arten von Liebe erfahren habe, aber das heißt ja nicht, dass meine Gefühle damals nicht richtig oder relevant waren. Liebe ist für mich auch immer eine Momentaufnahme. Romeo würde das alles – die Heirat, die Verbannung – nicht machen, wäre er nicht verliebt. Weil … Das ist ja nicht wirklich ein kluger Plan. Im Gegenteil. Liebe ist manchmal auch einfach etwas Dummes. 

© Rose Closé

»Im klassischen Stück weiß man vermutlich noch ein bisschen weniger über Julia als in unserer Version, weil: Patriarchat olé!«

Erzähl mir ein bisschen was zu den Proben. Wie läuft es da gerade ab? Startet ihr jetzt direkt durch? 

Am ersten Tag hatten wir das große Kennenlernen und haben alle zusammen gegessen, was sehr schön war. Dann hatten wir die Stückeinführung und haben die Visuals von der Bühne und den Kostümen gesehen – die sehen MEGA aus, ich war total geflasht und perplex. Wir sind ja ein Privatbetrieb ohne Förderung und müssen eigentlich jeden Cent zweimal umdrehen. Und wie mit diesen Möglichkeiten das Bühnenbild geschaffen wurde, ist mir ein großes Rätsel, ich bin extrem begeistert. 

Jetzt haben wir jeden Tag mit einem Warm-up angefangen, um Verletzungen vorzubeugen. Und dann proben wir musikalisch. Seit gestern Nachmittag proben wir auch szenisch.

Ich hatte ja das Glück, bei DROSSELBART schon mal mit dem Regisseur Christoph Drewitz zu arbeiten, und das macht wirklich Spaß, weil er immer einen Blick für das Ganze hat und da sehr kreativ ist. Wir haben jetzt schon zwei, drei große Szenen angelegt und das läuft schon ganz gut. Heute war dann mal die Balkonszene dran. 

Die Szene, auf die alle warten! 

Haha, jaaa. Und es wird – … toll! Ich darf nicht so viel verraten, aber es gibt einen Twist und es wird sehr schön. 

Romeo und Julia Musical Berlin
© Ferran Casanova

»Romeo und Julia zeigen, was passieren kann, wenn man die Leute nicht lieben lässt, wie sie wollen.«

Wie hast du dich im Vorfeld auf die Proben vorbereitet?

Als ich erfahren habe, dass ich die Rolle bekommen habe, habe ich einmalig die Schlegel-Übersetzung gelesen, um es im Blick zu haben. Und seitdem konzentriere ich mich nur auf unsere adaptierte, gekürzte Fassung, weil ich mich nicht mehr so von anderen Dingen beeinflussen lassen möchte. Und ansonsten: Text lernen, Text lernen, Text lernen …das ist das Allerwichtigste. Anfangs hat mich die klassische Sprache auch abgeschreckt. Sich das zu eigen zu machen, so dass es flüssig über die Lippen kommt, ist gar nicht mal so einfach. Das ist auch immer noch eine Herausforderung für uns. Man muss sich aber auch viel genauer mit dem Text auseinandersetzen, weil der Subtext eben nicht einfach der Text ist, sondern in jedem Vers noch drei Bilder stecken, die man zerdenken muss. Dadurch, dass ich mich so genau mit dem Text befasst habe, hatte ich aber plötzlich so eine Nähe zu der Figur, die ich sonst erst viel später, manchmal erst während der Vorstellungen, hatte. 

Kann man diese Nähe nach Feierabend ablegen?

Das wird nochmal ein Thema. 

Rede ich jetzt mit Pauli oder mit Romeo? 

(lacht) Natürlich redest du mit Pauli. Nein, ernsthaft, das wird sicher noch eine Herausforderung. Das Stück ist so lange wirklich lustig – was ich total vergessen hatte – und dann schlägt es um und alles kommt, wie es kommen muss. Diese emotionale Reise acht Mal pro Woche über mehrere Monate zu spielen, wird sicher nicht leicht. Auf das Verliebtsein freue ich mich total, aufs Sterben … eher weniger (lacht). Ich glaube, Romeo denkt in seinem verqueren Kopf, dass er nach dem Tod zu Julia geht und deshalb ist es für ihn vermutlich was Schönes, was ganz schlimm ist und absolut nicht so sein sollte. Und ich glaube, wir versuchen auch zu zeigen, dass das System die beiden so unterdrückt und ihre Liebe verbietet – und was passieren kann, wenn man die Leute nicht lieben lässt, wie sie wollen. Romeo spinnt, der ist total verrückt vor Verlustängsten. 

Ist das familiär bedingt? 

Das ist eine sehr gute Frage. Ich frage mich oft, ob er überhaupt so etwas wie Liebe oder Zuneigung vorher schon einmal empfunden hat. Im Exil sagt er dann: »Aus Verona verbannt heißt, aus der Welt verbannt.« Seine Welt ist dort, wo Julia ist, und alles andere ist egal. Sie war die erste, zu der er nicht nur so eine Buddy-Zuneigung hat, wie zu Mercutio.

»Die Form von Liebe ist gar nicht so wichtig, weil auch freundschaftliche Liebe Liebe ist.«

Ha, gute Überleitung. Geht da was zwischen Mercutio und Romeo?

Wir wollten unbedingt diversere Aspekte von Liebe mit einbringen und zeigen, dass Liebe nicht nur heißt, dass sich zwei Heteros anschmachten, bis sie sich küssen. Wir als Cast stehen da alle dahinter und sind da sehr offen. Es wird sicher nicht schön zwischen Mercutio und Romeo, weil es eine einseitige, unerfüllte Liebe bleiben wird. Ich glaube, was auch eine Eigenart von Romeo ist, dass er immer erst merkt, was er falsch gemacht hat, wenn es zu spät ist. Und dass er merkt, was er hatte, wenn er es nicht mehr hat. Und er bereut auf jeden Fall, dass Mercutio nicht mehr da ist. In welcher Form ist da vielleicht gar nicht so wichtig, weil auch die freundschaftliche Liebe Liebe ist. Das ist mir wichtig zu zeigen – dass Liebe nicht immer sexuell ist. 

Ich habe gelesen, dass du im Casting eigentlich für KU’DAMM 56 vorgesprochen hast, aber dann plötzlich Romeo wurdest. Wie kam das? 

Das war letztes Jahr im Frühsommer, als DROSSELBART mit Christoph Drewitz so richtig in Fahrt war. Da wurde ich angefragt, zum Nachcasting für KU’DAMM 56 zu kommen. Ich finde die Show mega, ganz toll, das ist einer der Gründe, warum ich hier dabei sein möchte, weil ich glaube, dass diese Art von Musical das ist, was der Markt braucht. Aber ich habe mich in der Show nicht gesehen. Christoph hat mich dann aber überredet, und ich habe in einer Woche vier Songs und sechs Szenen gelernt – weil ich ungefähr für alle vorsprechen sollte. (lacht) Und spätestens nach dem zweiten Song hat ein freundlicher Mann mit Brille gefragt, ob er mich filmen kann – ich habe natürlich zugestimmt. Dann habe ich noch einen Song gemacht, eine Szene gespielt und das fanden sie cool. Dann sagte der freundliche Mann, er würde mich gerne für etwas anderes mit ins Studio nehmen. Das fand ich auch schön und gut und hätte auch gerne gewollt, aber ich musste abends in Hanau eine Show spielen. Der freundliche Mann war Peter Plate, der es live an Ulf Leo Sommer geschickt hat, der an dem Tag nicht da sein konnte. Er fand es auch cool. Dann sollte ich für eine Worksession ins Studio kommen, aber ich hatte leider einen Dreh in Stockholm, weshalb wir dann eine Zoom-Konferenz gemacht haben. Da haben wir zwei Songs gesungen und an einer Szene gearbeitet. Danach war für mich klar, dass ich raus bin, weil es eben nur über Zoom war und das niemals eine Live-Audition ersetzen kann. Nach meinem Dreh haben sie mich dann gefragt, welche Rolle ich am coolsten finde und haben gesagt, dass sie mich unbedingt für eine Rolle haben wollen – sie wissen nur noch nicht für was. Nach einigen Telefonaten habe ich dann einen Anruf bekommen und die Producerin sagt so: »Ja, wir hätten dich gerne als First Cast Romeo.« Und ich so: »Okaaaaay?!« Und dann war’s das. 

Glaubst du, ROMEO & JULIA setzt nochmal einen Meilenstein? 

Ich glaube, dass sich das Team durch diese Show endgültig etabliert und seinen Platz bestätigt. Sie werden zeigen, dass sie nicht nur eine Show können, sondern alles. Da kommen so viele kreative Menschen zusammen, die so gut sind in dem, was sie tun, das kann nur gut sein. Ich weiß auch nicht, aber das Genre Musical ist irgendwie so festgefahren, oder? 

Total! 

Ich habe manchmal den Eindruck, man versucht, diesen ersten Hype aus den 80ern am Leben zu erhalten – aber das ist über vierzig Jahre her. Wir können nicht ewig lang genau die gleichen Geschichten erzählen. Und ich glaube, das wollen sie jetzt zeigen. 

»Ich hatte immer schon viel Meinung und eine Veranlagung, die auszusprechen.«

Wie bist du persönlich zum Musical gekommen? Du hast mal gesagt, du wärst sonst wahrscheinlich gescheiterter Schriftsteller geworden … 

(lacht) Ja, das auf jeden Fall! Seit ich zehn oder zwölf Jahre alt bin, ist Musik ein Teil meines Lebens. Ich war immer irgendwo auf der Bühne oder vor einer Kamera und dann war das die logische Konsequenz. Dass es Musical wird, war so aber nicht geplant – okay, eigentlich war gar nichts geplant. Zwischendurch habe ich mal Elektrotechnik an der TU studiert, was ich nach zwei Monaten sofort abgebrochen habe. Dann habe ich als Schauspieler für ganz fruchtbare Werbungen gejobbt (lacht) und dann habe ich Englisch und Physik auf Lehramt studiert. Da habe ich genau eine Prüfung geschrieben und dann entschieden, dass ich das auch nicht kann. Und dann hat mich ein Uni-Leiter von einer der Musicalunis bei einer Amateuraufführung gesehen, für die ich auch Stücke geschrieben habe, und mich gefragt, ob ich nicht Interesse hätte. Und dann habe ich das gemacht, Jobs bekommen … und jetzt sitzen wir hier. 

Stücke schreiben, sagst du. Das heißt, du hast auch selbst schon Stücke verfasst? 

Ja – geschrieben und komponiert. Ich hatte immer schon viel Meinung und eine Veranlagung, die auszusprechen. Und das beschreibt ja in der Regel einen Regisseur oder Director. Ich habe oft etwas gesehen, wo mich etwas an der Inszenierung gestört hat. Und dann wurde ich gebeten, für die Kulturwoche in meiner Heimat einen Liederabend zu machen. Das wollte ich nicht – aber ich habe vorgeschlagen, ein Musical zu machen. Sie haben zugesagt und dann hatte ich Druck. Die Vorführung sollte nämlich in vier Monaten sein. Ich habe mir dann ein Stück von Robert Thomas genommen, das krass gestrichen und adaptiert – und am Ende war eigentlich nichts mehr davon da. Dann habe ich ein paar bekannte Songs und ein paar eigene Songs reingeschrieben und das mit Unikolleg:innen geprobt. 

Jetzt habe ich außerdem einen Film über eine meiner besten Freundinnen geschrieben, die auch Darstellerin ist. Der Film wird dann vielleicht bald gedreht, ich habe da ein paar Anfragen rausgeschickt und es wurde ganz gut angenommen. Ich weiß aber nicht, ob ich das wirklich hauptberuflich machen möchte. 

 

Tendierst du dazu, als Schauspieler manchmal zum Regisseur zu werden? 

Ja, aber ich habe gelernt, dass das zwei verschiedene Jobs sind. Wenn ich Schauspieler bin, kann ich nicht gleichzeitig Regie führen. Da muss ich die Stimme abschalten – aber ich glaube, das haben wir alle irgendwie. Ich denke vor allem gerne schon für die nächsten Szenen weiter, obwohl mir das eigentlich komplett egal sein könnte. Wenn meine Anweisung heißt: »Gehe die Treppe hoch und nicht runter«, dann mache ich das. Damit bin ich manchmal besser dran – es alles etwas zu grounden, nicht zu verkopfen. Ich muss da krass gegen arbeiten, aber ich habe das mittlerweile ganz gut im Griff.

© Sarah Lippasson

»Die Theater glauben schon im Vorfeld zu wissen, was die Zuschauer:innen mögen könnten. Das finde ich präpotent und übergriffig.«

Wenn du dem deutschsprachigen Musical – Regiesseur:innen, Schauspieler:innen, Zuschauende, Caster usw. – eine Botschaft mitgeben dürftest, welche wäre es? 

Schwer. Aber vermutlich: Kackt euch nicht so an. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Dinge per se abgelehnt werden: »Nee, wir können da jetzt keine Schwulen-Geschichte machen, das gucken die Heteros nicht. Nee, wir können keine Schwarze Person besetzen. Nee, wir können die Alternate nicht komplett anders besetzen, …« Bei uns spielt Joël Zupan das Cover der Lady Capulet. Und ich verstehe nicht, warum nicht viel öfter nicht-binäre Menschen besetzt werden – oder natürlich generell geschlechtsunabhängig. In kleineren Theatern ist das ab und zu schon gang und gäbe, aber gerade auf großen Bühnen tun sich die Leute mit solchen Entscheidungen extrem schwer.  Wenn man es ausprobiert und es floppt, okay, dann waren es die Menschen. Aber man glaubt immer schon im Vorfeld zu wissen, was die Zuschauer:innen mögen könnten. Das finde ich präpotent und übergriffig. 

Lass uns nochmal kurz zu dir persönlich kommen. Wenn du dich in drei Musicalsongs beschreiben müsstest, welche wären es aktuell? 

Wow, okay. Puh. Also natürlich »I am what I am« aus LA CAGE AUX FOLLES. »Movie in my mind« aus MISS SAIGON und … vielleicht … es muss irgendwas von LITTLE SHOP OF HORROR … wobei … nee. Eher: »Ich habe keine Angst« aus ROMEO & JULIA. Ja, ich glaube, mit der Auswahl bin ich ganz zufrieden. Welche wären denn deine drei Songs? 

Puh, Rückfragen im Interview (lacht). »Me and the Sky« aus COME FROM AWAY, nicht, weil ich selbst so gerne fliege oder so, aber der Song ist krass empowernd und zeigt, was Frauen cooles leisten können, wenn sie an sich glauben. »I dreamed a Dream«, weil LES MISÉRABLES einfach einen ganz besonderen Platz in meinem Leben hat und es auch in diesem Song um eine starke Frau geht. Und »This is me« aus THE GREATEST SHOWMAN. 

Wow, ja, super schöne Songs! Sehr coole Auswahl und eine mega tolle Frage!

Eine letzte habe ich noch. Ein Klassiker unter den Fragen. Aber ich glaube, du hast da bestimmt eine tolle Story zu erzählen, wenn ich dich nach deiner lustigsten Panne auf der Bühne frage.

(lacht) (lacht immer noch) (lacht weiter) Also: Bei LA CAGE AUX FOLLES habe ich Phädra gespielt, die in der Version non-binary inszeniert war. In einer Szene hatte ich zehn Zentimeter Plateau und noch fünfzehn Zentimeter Stöckel – oder noch höher – an, und es ist in den Proben auch immer alles gut gegangen … Ich stand auf der Bühne und musste einen Tisch während meines Songs von einem Podest heruntertragen. Ich hatte eine bodenlange Robe an und bin mit meinem riesigen Schuh hinten im Umhang hängengeblieben und habe mir selbst ein Bein gestellt. Ich bin dann beim Singen gefallen, auf den Tisch – und das war so schlimm, weil der Stoff nicht aufhörte und es gefühlte Jahre gedauert hat, bis ich da wieder rauskam. Dann musste ich auch noch lachen und dann war es komplett vorbei. Ich musste den Tisch dann eigentlich noch in einem Loch im Vorhang verstecken – natürlich mit der schmalen Seite voran, was in dem Moment aber nichts mehr wurde. Aus dem Dreiakter wurde dann ein Vierakter …  Die Leute fanden es sehr lustig. Und das Orchester auch …

Ach, und in Hanau habe ich in einem Solo mal einen Käfer verschluckt. Das war echt ein Albtraum. 

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