„Ich war BILD.“ Allein des Titels wegen wollte ich das Buch eigentlich nicht lesen. Vielleicht braucht man die Arroganz aber auch, wenn man Diekmann heißt und von 2001-2015 Chefredakteur bei Axel Springer war. Long story short, herablassend hin oder her, meine Neugier hat gesiegt.
Im Buch schreibt Kai Diekmann, längster amtierender Chefredakteur der BILD, jetzt über seine großen Artikel & Fälle aus dieser Zeit. Beinahe pedantisch hat er jede E-Mail, jedes Interview, jede Mailboxnachricht aufgehoben und erzählt nun, in Absprache mit mehreren Anwälten, munter von seiner Freundschaft mit Christian Wulff und dessen Bruch mit BILD; von Staatsaffären, seinem Trauzeugen und Altkanzler Kohl, Schroeder, Merkel, Putin, Trump, den mächtigen Männern – und ihren schönen Frauen. Ja, das Buch könnte auch den glorreichen Untertitel „Ich, ein Frauenversteher“ tragen und wäre dabei nicht weniger selbstverliebt. Diekmann versteht es, sich als Engel zu inszenieren und Geschichten zu Gunsten seines Charmes und Geldbeutels zu erzählen. Ich möchte an dieser Stelle das legendäre Zitat der „Tageszeitung“ bringen, die kurz nach Diekmanns Eintritt schrieb, er würde BILD zu einer „Blut- und Spermaschleuder machen“ … Was davon tatsächlich „Die Wahrheit“ ist – keine Ahnung. Spannend ist es allemal, aber eine gewisse politische Bildung und kritische Distanz würde ich vor der Lektüre unbedingt empfehlen. Ganz anders als Diekmann selbst recherchiert. Dessen Motto ist wohl eher: exklusive Geschichten dank exklusiver Nähe. Nö, nicht in Manier seines Nachfolgers Reichelt, aber irgendwie kaum weniger übergriffig, herablassend und indiskret. Dabei lässt er gerne auch die eigenen Fehltritte aus, berichtet stattdessen über Umarmungen mit Gorbatschow, ein Bad mit Putin und das bisher einzige Interview eines deutschen Journalisten mit Trump. Alles irgendwie absurd, ein bisschen realitätsfern, aber gerade deshalb auch faszinierend. Oder wie BILD sagen würde: wir sind Papst.
Kann man lesen, ist tatsächlich sehr interessant und gut geschrieben, aber BILD. Empfehle es trotzdem.