Phantom der Oper im Raimund Theater: verstaubtes Relikt mit tollen Stimmen

Phantom der Oper, Wien

Das Stück beginnt mit einer Auktion, versteigert werden Raritäten aus der Zeit, als das Phantom in der Opéra Garnier in Frankreich sein Unwesen trieb und sich unsterblich in die Stimme von Christine Daaé verliebt. Durch seine Macht im Theaterbetrieb sorgt er für viele Zerstörungen und zerstört am Ende vor allem einen, sich selbst. Klingt pathetisch, ist es auch. Und auch ein bisschen verstaubt. 

Sitzplatzempfehlung: Hochparkett Mitte

Stimmlich kannste nicht meckern, wenn du keine Ahnung hast

Eines vorab: Ich mag die Musik von Andrew Lloyd Webber nicht wirklich. Und vielleicht war das auch mein größtes Problem mit der Show. Mir war sie zu überladen, zu viel und die altbackene Musik setzte dem leider die Krone auf. Durchgehend Oper (Ja, Sherlock, was hast du erwartet?), durchgehend viel Vibrato und kein einziger Belt. Gewöhnungsbedürftig, vor allem in einer Neuinszenierung von Cameron Mackintosh, den ich eigentlich gerne mag. 

Konzentrieren wir uns also auf das, was überzeugt: Anton Zetterholm als Phantom. Wer Zetterholm kennt weiß, dass diese Stimme bisher vor allem die zarten, zerbrechlichen Songs der Musik-Landschaft singen durfte. Aber Himmel, in seinen Solos steckt so viel Kraft und genau die Dominanz, die diese Rolle für mich braucht. Gleichzeitig spielt er sehr durchlässig die ganze Partitur – verführerisch, herrisch, gebrochen. Was für eine Entwicklung und eine große Freude, das live zu sehen. Gänsehaut pur. 
Auch das restliche Ensemble kann viel. Lisanne Clémence Veeneman und Roy Goldman überzeugen als Christine und Raoul und holen alles aus diesen doch eigentlich recht unscheinbaren Figuren ohne sonderlich viel Tiefgang heraus. Und stimmlich kannste da eh nicht meckern, wenn du keine Ahnung hast. Das ist einfach nur beeindruckend. 

Für das Bühnenbild lohnt sich die Show

Und dann ist da noch das Bühnenbild. Paul Brown hat wirklich große Elemente erschaffen, unsichtbare Treppen, die berühmte Bootszene im neuen Look, große Opern-Stagings mit viel Prunk und Glam. Selbst, wenn das Stück nicht überzeugt – für das Bühnenbild lohnt sich diese Show. Und auch für die Special-Effekte, die Pyro-Technik und natürlich den Kronleuchter. Das knallt an jeder Ecke, glitzert, ist punktuell genau mit den Reaktionen der Darstellenden abgepasst. Mir als Musicalfan ging das Herz auf, ganz ehrlich. Das macht wirklich Spaß. 

 

Aber der Rest – nun ja. Ich sagte es bereits, ich bleibe dabei: Es ist nicht meine Show und ich denke nicht, dass ich sie mir nochmal ansehen werde. Bereue ich den Besuch? Auf keinen Fall. Für das Ambiente, die Kulisse, die Stimmen und Darsteller:innen lohnt sich ein Besuch trotz allem. Man sollte nur darauf vorbereitet sein, dass die Show ein Relikt aus den späten 80ern ist und kein modernes Rockmusical. 

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